Abstract (deu)
Aneuploidie kommt häufig in soliden Tumoren vor. Obwohl in mehreren Studien gezeigt werden konnte, dass eine anormale Anzahl an Chromosomenkopien generell einen destruktiven Einfluss auf die Zellen verschiedener Organismen hat, scheinen Krebszellen durch ihren aneuploiden Status einen selektiven Vorteil zu gewinnen. Es wird vermutet, dass dieses Phänomen teilweise aufgrund von Interaktionen zwischen unterschiedlichen Chromosomenkopien auftritt, welche das Thema dieser Masterarbeit sind. In unserem Labor wird Bäckerhefe (Saccharomyces cerevisiae) als Modellorganismus verwendet, um den genetischen Hintergrund des selektiven Wachstumsvorteils durch Gewinn oder Verlust von spezifischen Chromosomen zu untersuchen. Eine positive genetische Interaktion zwischen den Chromosomen 6 und 13 ist bereits aus der Literatur bekannt. Diese basiert auf der Stöchiometrie zwischen den Untereinheiten des Proteins Tubulin. Eine negative genetische Interaktion zwischen den Chromosomen 8 und 10 wurde in unserem Labor entdeckt, wobei der genetische Hintergrund dieser Interaktion noch unklar ist. Abgesehen von diesen Erkenntnissen, wurden bis jetzt noch keine Ergebnisse über Interaktionen der Kopien verschiedener Chromosomen publiziert.
Beach et al. 2017 hingegen untersuchte den Effekt von induzierter Aneuploidie in jeweils einem bestimmten Chromosom auf die zelluläre Fitness. In dieser Studie konnte beobachtet werden, dass die zelluläre Fitness nach dem Gewinn oder Verlust eines spezifischen Chromosoms stark mit der Größe dieses fehlerhaft segregierten Chromosoms korreliert. Dieser Zusammenhang ist allerdings nicht vollständig linear, was vermuten lässt, dass es Interaktionen innerhalb eines Chromosoms gibt, welche ebenfalls Einfluss auf die zelluläre Fitness haben.
Das Ziel dieser Masterarbeit war, die Interaktionen zwischen verschiedenen aneuploiden Chromosomen zu untersuchen. Dafür wurde die fehlerhafte Teilung von zwei verschiedenen Chromosomen innerhalb einer Zelle, durch Verwendung eines kontrollierbaren Centromers, induziert. Der Effekt von dem gleichzeitigen Verlust oder Gewinn von zwei Chromosomen, oder der des gleichzeitige Gewinns von einem Chromosom während ein anderes verloren wird, auf die zelluläre Fitness konnte beobachtet werden. Daraus konnten mögliche zugrundeliegende genetische Interaktionen zwischen bestimmten Chromosomen vermutet werden.
Um den gleichzeitigen Verlust von zwei verschieden Chromosomen in jeder möglichen Kombination untersuchen zu können, wurde ein „High-throughput“ System entwickelt. Die zelluläre Fitness dieser Stämme konnte dann bestimmt und normalisiert werden. Nach weiteren Untersuchen von dadurch aufgezeigten möglichen genetischen Interaktionen, konnte geschlussfolgert werden, dass vier verschiedene Kombinationen von Chromosomen auf eine starke genetische Interaktion hinweisen. Die Kombinationen von den Chromosomen 6x13, 1x7 und 3x7 lassen eine starke positive genetische Interaktion vermuten, wohingegen die Kombination von den Chromosomen 1x3 auf eine starke negative Interaktion hinweisen lassen. Für den gleichzeitigen Verlust von Chromosom 6 und 13 konnte bewiesen werden, dass die beobachtete Interaktion von den Untereinheiten des Proteins Tubulin verursacht wird, so wie es bereits in der Literatur für den Gewinn beider Gene beschrieben wurde. Die Kombinationen mit Chromosom 7 basieren möglicherweise auf Interaktionen des MLC1 Gens auf diesem Chromosom. Das MLC1 Gen codiert für ein Myosin-leichte-Ketten Protein, welches das einzige essentielle haploinsuffiziente Protein in Hefe ist, das bis jetzt gefunden wurde. Deshalb ist es sehr wahrscheinlich, dass die beobachteten Interaktionen mit diesem Gen zusammenhängen.
Da der Gewinn eines Chromosoms im Allgemeinen nicht so destruktiv ist wie der Verlust eines Chromosoms, wurde erwartet mehr mögliche genetische Interaktionen nach dem gleichzeitigen Gewinn von zwei Chromosomen sehen zu können. Deshalb wurde noch ein „High-throughput“ System entwickelt um haploide Stämme mit Disomie von zwei Chromosomen zu etablieren. Bisher wurden Experimente nur an ein paar Kombinationen durchgeführt, mit Chromosomen die bei alleiniger Disomie mittleres Wachstum zeigten verglichen mit dem Wild typ zeigen. Die ersten Ergebnisse hierbei wirken vielversprechend, dass es möglich sein wird noch weitere genetische Interaktionen mit diesen Stämmen zu entdecken.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass unsere Untersuchungen zu den Interaktionen verschiedener Chromosomenkopien praktikabel scheinen, den zugrundeliegenden genetischen Hintergrund von selektiven Vor- und Nachteilen aneuploider Hefezellen zu ermitteln. Die hierbei entdeckten Gene könnten in Zukunft verwendet werden um die genetische Basis von aneuploiden humanen Krebszellen zu identifizieren. Dies kann ein wichtiger Schritt sein, um das Verhalten von aneuploiden Tumoren teilweise zu verstehen.