Die vier Städte an der senegalesischen Küste, die als Quatre Communes von Senegal bekannt sind, waren das Ergebnis eines kolonialen Projekts, das in der französischen Assimilationspolitik gründete. Die Franzosen wollten den Senegal vollständig integrieren, aber aufgrund der raschen territorialen Expansion der Kolonie war eine solche vollständige Assimilation nicht möglich. Dies machte die Quatre Communes zu einer einzigartigen Anomalie. Sie gehörten zwei verschiedenen Rechtssystemen an, dem französischen und dem muslimischen, und die Bewohner, die als originaires bekannt sind, erhielten die französische Staatsbürgerschaft.
Der Erwerb der französischen Staatsbürgerschaft ist mit der Verleihung des statut civil français verbunden, was bedeutet, dass jeder Einzelne in seinem täglichen Leben dem französischen Zivilrecht, d.h. dem Code civil, untersteht. Die mehrheitlich muslimische Bevölkerung in den communes, wollte sich nicht an das französische Zivilrecht halten, auch wenn sie dankbar waren, französische Staatsbürger und keine sujets zu sein, und beantragte deshalb die Einrichtung eines muslimischen Tribunals. Sie wollten französische Staatsbürger sein, aber ihr statut personnel behalten, um die Vorteile und Rechte der französischen Staatsbürger zu genießen, aber in Zivilsachen durch das muslimische Recht geregelt zu sein. Mit der Einrichtung eines muslimischen Tribunals in Saint-Louis 1857 wurden muslimische originaires in Zivilsachen dem muslimischen Recht unterstellt; es sei denn, sie entschieden sich dafür, das französische Zivilrecht anzuwenden. Doch dieser Sonderstatus wurde von vielen Kolonialrichtern und einem Teil der Kolonial- verwaltung angefochten. Seit der Anwendung des Code civil im Senegal 1830 wurden immer wieder Gesetze und Verordnungen erlassen, um den Staats- bürgerschaftsstatus der originaires und ihren Sonderstatus sowie den Umfang der Zuständigkeit des französischen und muslimischen Rechts entweder zu erhalten, zu entfernen oder zu ändern.
Nach einem chronologischen Überblick der Geschichte Frankreichs, der mit dem Ancien Régime beginnt und mit der Unabhängigkeit des Senegals endet, fokussiert sich diese Masterarbeit auf das französische und muslimische Justizsystem, das in den Quatre Communes herrschte, sowie auf die Entstehung und Entwicklung dieser beiden parallelen Justizsysteme. Betrachtet wird insbesondere,
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bei welchen Angelegenheiten sie jeweils Jurisdiktion hatten, welche Rechts- sprechung wo, wann und wie angewandt wurde, und auf wen sie anwendbar waren. Die Bewertung und Auslegung von Gesetzen, Verordnungen, lokalen arrêtés und Verfassungen Frankreichs führte zu der Folgerung, dass diese vier Städte wirklich einzigartig waren: Zwei Justizsysteme, die, in gewissem Maße, die bürgerlichen und politischen Rechte einer kleinen Gruppe von Menschen wahrten, zu einer Zeit, als die Mehrheit der Bevölkerung am afrikanischen Kontinent aufgrund des Kolonialis- mus keinerlei Rechte hatte.
The four towns on the Senegalese coast known as the Quatre Communes of Senegal were the outcome of a colonial project founded on the French policy of assimilation. The French desired to fully assimilate Senegal to France, but due to the rapid territorial expansion of the colony, such full scale assimilation would not be possible. This made the Quatre Communes a unique anomaly. They fell under two different judicial systems, French and Muslim, and the inhabitants, known as originaires, acquired French citizenship.
The acquisition of French citizenship comes with the endowment of statut civil français, meaning that each individual is regulated in their daily lives by French civil law, i.e. the Civil Code. The dominant Muslim population of the communes, even though grateful to be French citizens and not subjects, did not wish to abide to French civil law, and petitioned for the creation of a Muslim tribunal. They wanted to be French citizens but possess status personnel, thereby having the benefits and rights of French citizens but being regulated by Muslim law in civil matters. With the establishment of a Muslim tribunal in Saint-Louis in 1857, Muslim originaires were placed under the jurisdiction of Muslim law in civil cases, unless they would rather apply French civil law. Nevertheless, this special status was contested by many colonial magistrates and part of the colonial administration. Since the application of the Civil Code in Senegal in 1830, laws and decrees were promulgated time and time again in an effort to retain, remove or alter the citizenship status of the originaires and their special status, and the extent of the jurisdiction of French and Muslim law.
Following a chronological timeline of France’s history commencing with the Ancien Régime and ending with Senegal’s independence, this thesis focuses on the French and Muslim judicial system which held jurisdiction in the Quatre Communes, along with the emergence and development of these two parallel judicial systems, what matters fell under each of their jurisdiction, what jurisdiction was applied where, when and how, and to whom did they apply. The evaluating and interpreting of laws, decrees, local arrêtés and the Constitutions of France, led to the conclusion that these four towns were truly unique: two judicial systems upheld the civil and political rights, to an extent, of a small group of people at a time were, due to colonialism, the majority of the African continent was deprived of any rights whatsoever.
Die vier Städte an der senegalesischen Küste, die als Quatre Communes von Senegal bekannt sind, waren das Ergebnis eines kolonialen Projekts, das in der französischen Assimilationspolitik gründete. Die Franzosen wollten den Senegal vollständig integrieren, aber aufgrund der raschen territorialen Expansion der Kolonie war eine solche vollständige Assimilation nicht möglich. Dies machte die Quatre Communes zu einer einzigartigen Anomalie. Sie gehörten zwei verschiedenen Rechtssystemen an, dem französischen und dem muslimischen, und die Bewohner, die als originaires bekannt sind, erhielten die französische Staatsbürgerschaft.
Der Erwerb der französischen Staatsbürgerschaft ist mit der Verleihung des statut civil français verbunden, was bedeutet, dass jeder Einzelne in seinem täglichen Leben dem französischen Zivilrecht, d.h. dem Code civil, untersteht. Die mehrheitlich muslimische Bevölkerung in den communes, wollte sich nicht an das französische Zivilrecht halten, auch wenn sie dankbar waren, französische Staatsbürger und keine sujets zu sein, und beantragte deshalb die Einrichtung eines muslimischen Tribunals. Sie wollten französische Staatsbürger sein, aber ihr statut personnel behalten, um die Vorteile und Rechte der französischen Staatsbürger zu genießen, aber in Zivilsachen durch das muslimische Recht geregelt zu sein. Mit der Einrichtung eines muslimischen Tribunals in Saint-Louis 1857 wurden muslimische originaires in Zivilsachen dem muslimischen Recht unterstellt; es sei denn, sie entschieden sich dafür, das französische Zivilrecht anzuwenden. Doch dieser Sonderstatus wurde von vielen Kolonialrichtern und einem Teil der Kolonial- verwaltung angefochten. Seit der Anwendung des Code civil im Senegal 1830 wurden immer wieder Gesetze und Verordnungen erlassen, um den Staats- bürgerschaftsstatus der originaires und ihren Sonderstatus sowie den Umfang der Zuständigkeit des französischen und muslimischen Rechts entweder zu erhalten, zu entfernen oder zu ändern.
Nach einem chronologischen Überblick der Geschichte Frankreichs, der mit dem Ancien Régime beginnt und mit der Unabhängigkeit des Senegals endet, fokussiert sich diese Masterarbeit auf das französische und muslimische Justizsystem, das in den Quatre Communes herrschte, sowie auf die Entstehung und Entwicklung dieser beiden parallelen Justizsysteme. Betrachtet wird insbesondere,
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bei welchen Angelegenheiten sie jeweils Jurisdiktion hatten, welche Rechts- sprechung wo, wann und wie angewandt wurde, und auf wen sie anwendbar waren. Die Bewertung und Auslegung von Gesetzen, Verordnungen, lokalen arrêtés und Verfassungen Frankreichs führte zu der Folgerung, dass diese vier Städte wirklich einzigartig waren: Zwei Justizsysteme, die, in gewissem Maße, die bürgerlichen und politischen Rechte einer kleinen Gruppe von Menschen wahrten, zu einer Zeit, als die Mehrheit der Bevölkerung am afrikanischen Kontinent aufgrund des Kolonialis- mus keinerlei Rechte hatte.
The four towns on the Senegalese coast known as the Quatre Communes of Senegal were the outcome of a colonial project founded on the French policy of assimilation. The French desired to fully assimilate Senegal to France, but due to the rapid territorial expansion of the colony, such full scale assimilation would not be possible. This made the Quatre Communes a unique anomaly. They fell under two different judicial systems, French and Muslim, and the inhabitants, known as originaires, acquired French citizenship.
The acquisition of French citizenship comes with the endowment of statut civil français, meaning that each individual is regulated in their daily lives by French civil law, i.e. the Civil Code. The dominant Muslim population of the communes, even though grateful to be French citizens and not subjects, did not wish to abide to French civil law, and petitioned for the creation of a Muslim tribunal. They wanted to be French citizens but possess status personnel, thereby having the benefits and rights of French citizens but being regulated by Muslim law in civil matters. With the establishment of a Muslim tribunal in Saint-Louis in 1857, Muslim originaires were placed under the jurisdiction of Muslim law in civil cases, unless they would rather apply French civil law. Nevertheless, this special status was contested by many colonial magistrates and part of the colonial administration. Since the application of the Civil Code in Senegal in 1830, laws and decrees were promulgated time and time again in an effort to retain, remove or alter the citizenship status of the originaires and their special status, and the extent of the jurisdiction of French and Muslim law.
Following a chronological timeline of France’s history commencing with the Ancien Régime and ending with Senegal’s independence, this thesis focuses on the French and Muslim judicial system which held jurisdiction in the Quatre Communes, along with the emergence and development of these two parallel judicial systems, what matters fell under each of their jurisdiction, what jurisdiction was applied where, when and how, and to whom did they apply. The evaluating and interpreting of laws, decrees, local arrêtés and the Constitutions of France, led to the conclusion that these four towns were truly unique: two judicial systems upheld the civil and political rights, to an extent, of a small group of people at a time were, due to colonialism, the majority of the African continent was deprived of any rights whatsoever.