1960 erscheint Harper Lees Roman To Kill a Mockingbird, ein Jahr später erhält sie dafür den Pulitzerpreis. In der Folgezeit wird er in mehr als 40 Sprachen übersetzt, erreicht eine Auflage von über 40 Millionen Exemplaren und wird oscarprämiert verfilmt: die Geschichte über einen weißen Anwalt, der in den Südstaaten der 1930er Jahre einen wegen Vergewaltigung angezeigten Schwarzen verteidigt, erzählt aus der Perspektive seiner Tochter, ist zum Klassiker der modernen amerikanischen Literatur geworden. Jahrzehntelang publiziert Lee keinen weiteren Roman mehr; To Kill a Mockingbird wird zur Schullektüre in vielen Staaten und fortwährend als kanonischer Text wahrgenommen. Als 2015 ein weiteres Manuskript Lees unter dem Titel Go Set a Watchman veröffentlicht wird, wird das in allen Bereichen des literarischen Lebens verhandelt. Es entsteht ein neuer Kontext, der den kanonischen Charakter des Debüts in Frage stellt und gleichzeitig untersucht, ob die Kanonizität für Lee oder für ihren Roman gilt. Anhand einschlägiger literatursoziologischer Kanonmodelle wie dem literarischen Feld, der Systemtheorie, dem kulturellen Gedächtnis und der Rezeptionsästhetik werden die Prozesse einer Kanonrevision und des Umgangs mit einem derartigen literarischen Phänomen dargelegt. Die komplexe Entstehungsgeschichte von beiden Romanen, ihre Bedeutung für die US-amerikanische Gesellschaft und die weitläufigen unterschiedlichsten Reaktionen auf ihr Erscheinen machen sie zu einem geeigneten Fallbeispiel für die systematische Untersuchung der anlassgegebenen Revision eines Kanons.
In 1960, Harper Lee’s novel, To Kill a Mockingbird, was published. One year later, she received the Pulitzer Prize. Since then, it has been translated into more than 40 languages, copied more than 40 million times and adapted into an Academy Award-winning movie. The story about a white lawyer defending a black man accused of rape in the 1930s South, told from the perspective of his daughter, has become a classic in modern American literature. For decades Lee did not publish another novel; To Kill a Mockingbird became part of schools’ curriculum and came to be perceived as a canonical text. When, in 2015, Go Set a Watchman, another manuscript of Lee’s, was published, it was debated by critics, scholars, and casual readers alike. A new conversation questioning the canonical nature of Lee’s debut novel and posing whether the canonicity applies to Lee or her novel emerged. With relevant literary and sociological models for the canon like the literary field, system theory, cultural memory and reader-response criticism, the processes of a canon revision and the approach to such a literary phenomenon are explored in this thesis. The complex origin story of both novels, their importance for North American society and the copious and various reactions to their publication turn them into an appropriate case example for the systematic analysis of a forced revision of the literary canon.
1960 erscheint Harper Lees Roman To Kill a Mockingbird, ein Jahr später erhält sie dafür den Pulitzerpreis. In der Folgezeit wird er in mehr als 40 Sprachen übersetzt, erreicht eine Auflage von über 40 Millionen Exemplaren und wird oscarprämiert verfilmt: die Geschichte über einen weißen Anwalt, der in den Südstaaten der 1930er Jahre einen wegen Vergewaltigung angezeigten Schwarzen verteidigt, erzählt aus der Perspektive seiner Tochter, ist zum Klassiker der modernen amerikanischen Literatur geworden. Jahrzehntelang publiziert Lee keinen weiteren Roman mehr; To Kill a Mockingbird wird zur Schullektüre in vielen Staaten und fortwährend als kanonischer Text wahrgenommen. Als 2015 ein weiteres Manuskript Lees unter dem Titel Go Set a Watchman veröffentlicht wird, wird das in allen Bereichen des literarischen Lebens verhandelt. Es entsteht ein neuer Kontext, der den kanonischen Charakter des Debüts in Frage stellt und gleichzeitig untersucht, ob die Kanonizität für Lee oder für ihren Roman gilt. Anhand einschlägiger literatursoziologischer Kanonmodelle wie dem literarischen Feld, der Systemtheorie, dem kulturellen Gedächtnis und der Rezeptionsästhetik werden die Prozesse einer Kanonrevision und des Umgangs mit einem derartigen literarischen Phänomen dargelegt. Die komplexe Entstehungsgeschichte von beiden Romanen, ihre Bedeutung für die US-amerikanische Gesellschaft und die weitläufigen unterschiedlichsten Reaktionen auf ihr Erscheinen machen sie zu einem geeigneten Fallbeispiel für die systematische Untersuchung der anlassgegebenen Revision eines Kanons.
In 1960, Harper Lee’s novel, To Kill a Mockingbird, was published. One year later, she received the Pulitzer Prize. Since then, it has been translated into more than 40 languages, copied more than 40 million times and adapted into an Academy Award-winning movie. The story about a white lawyer defending a black man accused of rape in the 1930s South, told from the perspective of his daughter, has become a classic in modern American literature. For decades Lee did not publish another novel; To Kill a Mockingbird became part of schools’ curriculum and came to be perceived as a canonical text. When, in 2015, Go Set a Watchman, another manuscript of Lee’s, was published, it was debated by critics, scholars, and casual readers alike. A new conversation questioning the canonical nature of Lee’s debut novel and posing whether the canonicity applies to Lee or her novel emerged. With relevant literary and sociological models for the canon like the literary field, system theory, cultural memory and reader-response criticism, the processes of a canon revision and the approach to such a literary phenomenon are explored in this thesis. The complex origin story of both novels, their importance for North American society and the copious and various reactions to their publication turn them into an appropriate case example for the systematic analysis of a forced revision of the literary canon.