Abstract (deu)
Seit 1993 wurde die Grenzstadt Ciudad Juárez als trauriger Ort bekannt, an dem feminisierte Körper explizit von Gewalt betroffen sind. Der Mord an Frauen auf Grund ihres sozialen Ge-schlechts (gender) gilt als systemisch sexueller Feminizid. Die gesellschaftlichen Auswirkun-gen dieses Phänomens stehen im Zentrum dieser Forschungsarbeit. Obwohl Ciudad Juárez im internationalen Vergleich von Gewalttaten generell hoch abschneidet, folgen Feminizide einem spezifischen Muster, das z.B. der Gewalt, die im Zusammenhang mit dem Krieg gegen den Drogenhandel steht, vorausgeht. Feminizidale Gewalt umfasst die strukturellen Voraussetzun-gen, die direkte Gewalt von Entführung und Mord, sowie die Straflosigkeit dieser Gewalttaten. Bis heute ist die Mehrheit der Feminizide nicht aufgeklärt. Diese vorherrschende Straflosigkeit erschwert die wissenschaftliche Aufarbeitung, da die Perspektiven der Täter nicht identifiziert werden können, und die Opfer nicht mehr sprechen können. Es schränkt die vorhandenen Pri-märdaten erheblich ein und generiert allgemeine Verwirrung um das Phänomen. Um diese Ver-wirrung zu überwinden und stattdessen die Komplexität dieser strukturellen Gewalt aufzuzei-gen, werden die Erfahrungsberichte von Familienmitgliedern analysiert. Familienmitglieder der Opfer teilen ähnliche Erfahrungen und sind die unmittelbaren Empfänger der Auswirkungen von Feminiziden. Eine qualitative Inhaltsanalyse ihrer Erfahrungsberichte wird durchgeführt. Da die Untersuchung der Akteursperspektiven begrenzt ist, wird stattdessen der Zusammen-hang zwischen Geographie und Gewalt als innovativer Ansatz untersucht. Dieser zeigt auf, dass sich die gesellschaftlichen Auswirkungen von Feminiziden nicht in geografischen Hotspots sammeln, sondern dass weite Teile der Stadt von den Auswirkungen der Feminiziden betroffen sind. Die Ergebnisse werden anhand einer kritischen Kartographie visualisiert.