Abstract (deu)
Die vorliegende Arbeit untersucht Xavier Dolans drei Spielfilme "J’ai tué ma mère", "Les Amours Imaginaires" und "Laurence Anyways" im Hinblick darauf, wie sich melodramatische Themen und Techniken in ihnen widerspiegeln. Sie basiert auf der Annahme, dass Dolans Gestaltung der Mise-en-Scène eng mit dem Inhalt seiner Geschichten, die von privaten Beziehungen und emotionalen Konflikte handeln, verschränkt ist. Ausgehend von Thomas Elsaessers richtungsweisendem Essay zum Hollywood-Familienmelodrama wird im Theorieteil der Arbeit zunächst ein genrespezifischer Rahmen gesetzt. Dabei wird das Melodrama als ein Genre aufgefasst, das die Gefühle seiner Figuren in den Vordergrund der Erzählungen rückt und diese auf die Ebene einer exzessiven Gestaltung von Mise-en-Scène und Filmmusik übersetzt. Die Erläuterung des melodramatischen Stils orientiert sich an den Schlüsselfilmen von Douglas Sirk, der die wissenschaftliche Debatte zum Melodrama bis heute prägt. Darauf aufbauend werden Betrachtungen skizziert, die über ein enges Begriffsverständnis des Genres hinausgehen und eine Verbindung zwischen dem Hollywood-Familienmelodrama und zeitgenössischen Filmen, die außerhalb Hollywoods produziert werden, ermöglichen. Dabei wird auch auf die Verschränkung des Melodramas mit dem Realismus verwiesen sowie eine Brücke zum Queer Cinema geschlagen, dessen Affinität zum Melodrama als expressivem Code anhand wichtiger Vertreter illustriert wird. Vor diesem theoretischen Hintergrund werden im filmanalytischen Hauptteil der Arbeit Dolans melodramatische Strategien anhand der Darlegung der melodramatischen Ausgangssituation der Geschichten, der Gestaltung von Kameraführung und Bildkomposition, des Schauspiels sowie der Ausstattung, Farb- und Lichtgestaltung herausgearbeitet. Im Hinblick auf die Wirkung der Mise-en-Scène werden auch die Elemente der Filmmusik und Montage in die Betrachtung miteinbezogen. Am Ende einer jeden Analyse wird auf das Zusammenspiel der melodramatischen Gestaltungsmuster, Dolans Einsatz realistischer Techniken sowie seinen Umgang mit queeren Figuren eingegangen. Den Abschluss der Arbeit bildet eine Zusammenfassung Dolans stilistischer Bedeutungsvermittlung. Dabei wird festgestellt, dass diese von einer Ambivalenz zwischen Nähe und Distanz sowie einer Verschränkung mit dem Realismus geprägt ist. Den queeren Figuren wird dabei ein gleichberechtigter Raum abseits einer Problematisierung ihrer Sexualität beziehungsweise Geschlechtsidentität zugestanden, den es im klassischen Melodrama nicht gab.