Abstract (deu)
Die Gattung des neuen kritischen Volksstücks entsteht im süddeutschen und österreichischen Raum und verzeichnet seine Blütezeit in den 1970er und 80er Jahren. Junge Autor*innen verstehen sich in der Tradition HORVÀTHs und FLEIßERs und versuchen durch traditionelle Theaterformen ein möglichst breites Publikum – das Volk – zu erreichen, um diesem gesellschaftliche Missstände vor Augen zu führen. Die Schauplätze dieser Dramen sind vorwiegend provinzielle Dorfgemeinschaften, allerdings gibt es auch eine Tradition von Stücken, die im urbanen Arbeitermilieu verortet sind. Als zentrales Sujet der neuen kritischen Volksstücke wird der Kampf zwischen Individuum und Gesellschaft ausgemacht, dabei stehen die Motive der gesellschaftlichen Ausgrenzung im Zentrum. Anhand vier repräsentativer Stücke wird gezeigt, welche Tendenzen in der Verbindung von Orten und gesellschaftskritischen Aspekten bestehen. Die literarischen Orte ‚Stadt‘ und ‚Land‘ müssen dazu als vielschichtige hermeneutische Größen verstanden werden, die in ihrer metonymischen Funktion spezifische Darstellbarkeiten bedingen. Die Außenseiterfigur ist in seiner sozialen Rolle nicht auf eine Örtlichkeit begrenzt. Doch es zeigt sich mit Blick auf die Wirkungsabsicht in der Analyse, dass sich der provinzielle Raum aufgrund seiner durchschaubaren Gesellschaftsstrukturen besser eignet soziale Ausgrenzungsmuster darzustellen, im urbanen Raum werden wiederum systeminhärente Ausgrenzungsmechanismen besser sichtbar. Eine zusätzliche Wirkungsebene – der Schock – entsteht speziell in dieser Gattung durch die gezielte Verkehrung der, durch Mythen der Örtlichkeit und der Gattungshistorie entstandenen, Publikumserwartung.