Abstract (deu)
Im Zentrum dieser Arbeit steht die Funktionsweise des Transport Mixte – einer kollektiven Transportform in Marokko. Es handelt sich um ein System von Minibussen, das den Transport zwischen städtischen Zentren und ihrer ruralen Umgebung realisiert. Der Transport Mixte zeichnet sich durch eine Vielseitigkeit aus, wodurch Waren- und Personentransport miteinander verbunden sind und sowohl asphaltierte Straßen als auch unbefestigte Wege befahren werden. Auf Basis einer drei-monatigen ethnografischen Feldforschung in der Provinz Tinghir (ein Teil der Region Drâa-Tafilalet) in Marokko wird sich aus kultur- und sozialanthropologischer Perspektive mit der sozialen Organisation dieser Form von Mobilität und ihrer Realisierung als Transportinfrastruktur auseinandergesetzt. Ihre Etablierung basiert auf Grundlage unterschiedlicher Aushandlungsprozesse und der Beteiligung verschiedener Akteur*innen. Der Fokus in der Untersuchung liegt dabei auf den Fahrern. Es wird argumentiert, dass die Fähigkeit zur Einpassung in ein bestehendes Netzwerk von Mobilität – rechtlich, sozial, materiell – den Transport Mixte und die Handlungen seiner Fahrer auszeichnet.
Die Arbeit zeigt die Verflechtung und semantische Vielfalt von sozialen, technologischen und infrastrukturellen Aspekten. In seiner Gesamtheit eröffnet sich ein Komplex, der Mobilität in seiner Realisierung durch die Fahrer und ihrem Antizipationsvermögen beschreibt. Ausgehend von dieser Nutzung und Aneignung von Straßen, der Entwicklung von Routinen und Praktiken und ihrer gesellschaftlichen Bedeutung entsteht ein umfassender Blick auf kollektiven Transport in Tinghir. Es zeigt sich, dass Flexibilität und Improvisation nicht nur wichtige Eigenschaften der Fahrer sind, sondern dass diese Qualitäten wesentlich zur Entwicklung eines Infrastrukturisierungsprozesses beitragen. Die Feldstudie beleuchtet den Zusammenhang zwischen technologisch-infrastrukturellen Komplexen und Dimensionen ihrer sozialen Einbettung. Indem dieser Verschränkung in Bezug auf Mobilität und Straßen nachgegangen wird, entstehen nicht nur Erkenntnisse über kollektiven Transport in Tinghir. Mit dem Blick auf Geschwindigkeit, Vernetzung, und Teilhabe wird auch ein Beitrag zu einer Anthropology of Roads geleistet.