Abstract (deu)
Die Prozesse der Wortschatzaneignung sind für die Fremdsprachendidaktik von großem Interesse, dabei kommt in Hinblick auf Lernerautonomie und L3-Lernsituationen der Erforschung von Lerner¬strategien besondere Bedeutung zu. Ein interessantes Konzept stellt der sogenannte „potenzielle Wortschatz“ dar: Durch Nutzung ihres Vorwissens (aus Erstsprache, Zielsprache, weiteren Sprachen, Weltwissen etc.) und die Anwendung geeigneter Strategien können Lernende die Bedeutung einer Vielzahl unbekannter Wörter bei ihrem ersten Kontakt mit diesen erschließen. Insbesondere der rezeptive Wortschatz kann durch Ausnützen vorhandener Wissensbestände und kompetenten Strate¬gieneinsatz auf effektive Weise erweitert werden. Den Erkenntnissen der Lernerstrategie¬forschung zufolge ist die Strategienanwendung sehr individuell und von unter¬schiedlichen Faktoren geprägt. Studien zum tatsächlichen Strategieneinsatz in konkreten Situa¬tionen konnten zeigen, dass für erfolg¬reiches Erschließen von unbekannten Wortbedeutungen die metakognitive Steuerung und Koor¬di¬nierung einer Bandbreite unterschiedlicher Strategien not¬wendig ist. Die Bekanntheit und wahrge¬nom¬mene Anwendung von Erschließungsstrategien unter Lernenden wurde bislang v.a. im Rahmen groß angelegter Studien zu Wortschatzstrategien im Allgemeinen untersucht, welche die Bedeutung der Nutzung von Nachschlagewerken und des Erschließens aus dem Kontext nahelegen.
Das vorliegende Dissertationsprojekt untersucht Bekanntheit und Einsatz von Strategien zur Er¬schließung unbekannter Wörter oder Wortgruppen in schriftlichen Texten unter DaF-Lernenden an spanischen Universitäten mit dem Ziel, das Vorgehen von universitären mehrsprachigen Lernenden bei der Bedeutungserschließung besser verstehen und fördern zu können. Dafür wurde zwischen 2017 und 2019 eine Fragebogenstudie unter DaF-Lernenden zur Erhebung des wahrgenommenen Strate¬gien¬einsatzes durchgeführt, wobei nicht nur Angaben zur Frequenz der Strategienanwendung auf einer allgemeineren und einer detaillierteren Ebene, sondern auch Aussagen zu Kontexten und Methoden der Strategienaneignung sowie zur Bedeutung von Erschließungsstrategien erfasst wurden. Nach der Pilotierung an der Universität Salamanca (n = 68) wurden mittels der über¬arbeiteten Version eines von der Autorin entwickelten Fragebogens Daten von Lernenden aus 19 spanischen Universitäten erhoben (n = 333). Begleitend wurde eine spanienweite Befragung unter DaF-Lehrenden (n = 53) zu Beo¬bachtungen in Bezug auf den Strategieneinsatz der Lernenden sowie Inhalten und Methoden der Strate¬gien¬vermittlung durchgeführt. Zur Datenanalyse wurden neben deskriptiven statistischen Techni¬ken multivariate Methoden (u.a. Faktorenanalyse, Biplot, MANOVA) und Machine Learning-An¬wen¬dungen (Cluster-Analysen, Random Forest) eingesetzt. Die Ergebnisse zeigen, dass Er¬schließungs-strategien für unbekannten Wortschatz für die befragten Lernenden und Lehrenden eine große Rolle spielen und tendenziell häufig angewendet werden, wobei jedoch Unterschiede in Bezug auf Einzelstrategien sowie unter den Lernenden festzustellen sind. Die großen individuellen Unter¬schiede sind auf eine Reihe an Faktoren zurückzuführen, wobei neben dem Sprachniveau insbesondere Kontexte und Methoden der Strategienaneignung ausschlaggebend sein dürften.
Der gedruckten Version der Dissertation liegt eine CD mit Daten zur durchgeführten empirischen Studie bei.