Abstract (deu)
Die kontroversielle Debatte rund um Sterbehilfe ist keineswegs neu, sondern wurde über die Menschheitsgeschichte hinweg immer wieder geführt. Aufgrund des im Jahr 2020 getroffenen Urteils des Österreichischen Verfassungsgerichtshofs, das Verbot der Beihilfe zum Suizid aufzuheben, gewann die Debatte rund um Sterbehilfe jedoch erneut an Aktualität, Brisanz und Medienwirkung. Die vorliegende Studie machte es sich daher zum Ziel durch eine kulturpsychologische Perspektive den medialen Diskurs rund um die Sterbehilfe-Debatte in Österreich am Beispiel der Tageszeitungen „Der Standard“ und „Die Presse“ sichtbar zu machen, zeitliche Unterschiede zu etablieren und festzustellen, ob es ideologische Einflüsse entlang des politischen Spektrums oder durch die Kirche gibt. Zur Erforschung der Thematik wurde die qualitative Methodik der Kritischen Diskursanalyse nach Siegfried Jäger gewählt. Da sich der Diskurs in den beiden Tageszeitungen über einen Zeitraum von 31 Jahren und beinahe 10.000 Zeitungsartikel erstreckt, erfolgte zuerst eine Reduzierung der Materialgrundlage. Anhand von einer Reihe von Kriterien wurden 178 Diskursfragmente aus den Jahren 2014, 2015 und 2018-2020 ausgewählt und durch eine Stichprobe von 38 Diskursfragmenten aus den Jahren 1995, 1998-1999, 2001, 2005-2006, 2009-2010, 2013 und 2021 ergänzt. Diese Diskursfragmente wurden anschließend unter Anlehnung an das Instrumentarium von Jäger strukturanalytisch untersucht. In weiterer Folge wurden inhaltliche Kategorien gebildet, um die Ergebnisse bestmöglich präsentieren zu können. Die Analyse der Materialgrundlage zeigte, dass sich die Sterbehilfe-Debatte nicht auf dichotome Antworten reduzieren lässt, sondern es sich um einen außerordentlich facettenreichen Diskurs handelt. Obwohl die Debatte rund um Sterbehilfe durch den Schlagabtausch zwischen verschiedenen ideologischen Weltanschauungen geprägt ist, zeichnen sich entlang dieser extremen Sichtweisen auch eine Reihe von differenzierten Positionen ab. Der vorliegende Diskurs steht außerdem untrennbar mit dem Tabu-Thema Sterben, der Palliativ- und Hospizbetreuung, der Thematik der Übertherapie, der Patientenverfügung, dem gesellschaftlichen Umgang mit alten, kranken und schwachen Menschen sowie der Suizidprävention in Verbindung. Es handelt sich also bei der Sterbehilfe um kein isoliertes Thema, sondern vielmehr um eine Art Mosaikstein in einem Themenkomplex rund um das Lebensende. Die aktuelle Studie trägt nicht nur dazu bei, einen Überblick über den medialen Diskurs zur Sterbehilfe-Debatte in Österreich und der darin enthaltenen Nuancen zu gewinnen, die diskursive Wirkung von Aussagen hervorzuheben und Machtverhältnisse kritisch zu betrachten, sondern bietet auch einen praxisrelevanten Einblick für Psycholog*innen, Ärzt*innen und in der Pflege tätigen Berufsgruppen.