Abstract (deu)
Östrogene spielen eine zentrale Rolle in der menschlichen Physiologie; dennoch ist wenig über die Wechselwirkung von Nahrungsergänzungsmitteln oder verschiedenen Krankheitszuständen mit deren Metabolismus bekannt. Änderungen in der Stoffwechselaktivität könnten die aktiven Wirkkonzentrationen der Hormone erhöhen, und somit verschiedenste Krankheiten, insbesondere hormonsensitive Tumore, in der Entstehung und Progression beeinflussen. Das Ziel der vorliegenden Arbeit war daher, erstmals die Wechselwirkung ausgewählter Naturstoffe, welche typischerweise zur Linderung von Wechselbeschwerden eingesetzt werden, mit dem Östrogenstoffwechsel in humanen Brustkrebszelllinien (mit und ohne Östrogenrezeptorexpression) zu untersuchen. Hierfür wurde zunächst eine neue Analysemethode entwickelt, die auf Flüssigchromatographie und hochauflösender Massenspektrometrie basiert und nach internationalen Richtlinien auch validiert wurde. Die hohe Empfindlichkeit und Selektivität dieser Analytik ermöglicht, dass die zehn wichtigsten Steroide des Östrogenstoffwechsels (inklusive der Vorstufen, der aktiven Hormone und der entsprechenden Metaboliten) gleichzeitig quantifiziert werden können.
Die Behandlung der Krebszellen mit den Sojaisoflavonen Genistein und Daidzein, beziehungsweise mit Resveratrol (einem Polyphenol aus Weintrauben), zeigte bereits bei äußerst geringen Konzentrationen im (sub‐)mikromolaren Bereich eine starke Hemmung der Sulfatierung und Glukuronidierung von Östrogenen, wodurch wiederum die Spiegel unkonjugierter Steroidhormone, vor allem die des hochpotenten 17β‐Östradiols, signifikant anstiegen. Diese Erhöhung führte weiters zu einer Stimulation des Zellwachstums von Östrogenrezeptor-exprimierenden Zellen, was die dringende Notwendigkeit weiterer Untersuchungen an Frauen unterstreicht; die Anwendungssicherheit von Nahrungsergänzungsmitteln bei Brustkrebspatientinnen könnte so besser evaluiert werden.
Im Gegensatz zu diesen Beobachtungen konnte keine Veränderung der Östrogenkonzentrationen festgestellt werden, wenn die gleichen Brustkrebszelllinien mit Traubensilberkerzenextrakt, einem weiteren oft verwendeten pflanzlichen Präparat gegen Wechselbeschwerden, inkubiert wurden. Der Extrakt bewirkte außerdem keinen Wachstumsanstieg, sondern sogar einer Wachstumshemmung der Krebszellen, was darauf hindeutet, dass die Anwendung von Traubensilberkerzenpräparaten bei Brustkrebspatientinnen weitgehend ungefährlich sein dürfte. Der Extrakt, beziehungsweise dessen Hauptbestandteil Actein, zeigte weiters eine ausgeprägte Hemmung der Sulfatierung von Dehydroepiandrosteron (DHEA) durch die Sulfotransferase 2A1, was zu erhöhten Spiegeln von unkonjugiertem DHEA und in weiterer Folge zu einem Anstieg der Androgene Androstendion und Testosteron führte. Dieser Androgenanstieg könnte als Erklärung für die klinisch erwiesene Wirkung von Traubensilberkerzenextrakt gegen menopausale Symptome, insbesondere Hitzewallungen, dienen.
Das letzte Kapitel der vorliegenden Dissertation zeigte weiters, dass der Metabolismus von Östrogenen auch als Resistenzmarker für Ovarialkarzinome dienen könnte. Hierfür wurden die Konzentrationen der Östrogene und deren Metaboliten in zwei Carboplatin‐sensitiven und vier ‐resistenten Ovarialkarzinomzelllinien bestimmt. Dabei wurde eine signifikante Hemmung des Östrogenmetabolismus ausschließlich in resistenten Zellen beobachtet; ein Effekt, der durch die Behandlung mit dem monoklonalen anti‐Interleukin‐6‐Rezeptor Antikörper Tocilizumab aufgehoben werden konnte. Klinische Studien, die die Blut‐ und/oder Gewebskonzentrationen konjugierter und unkonjugierter Steroidhormone vor und während der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln oder im Verlauf verschiedener Krankheitszustände überwachen, sind folglich dringend nötig, um die in dieser Arbeit in vitro beobachteten Zusammenhänge auch mit Patientendaten zu belegen.