Abstract (deu)
Gegenwärtige Forschung zu Online-Beschwerdesystemen in China nimmt implizit häufig an, dass der Beschwerdeprozess zeitlich weitgehend unverändert blieb und kaum lokale Unterschiede existieren. Dies steht im Gegensatz zu früheren Fallstudien, die unterschiedliche Ansätze beim Betrieb dieser Plattformen und beim Behandeln von Beschwerden fanden. Diese Masterarbeit argumentiert, dass nicht nur weiterhin lokale Besonderheiten existieren, sondern auch, bislang nicht festgehaltene, zeitliche Entwicklungen der Plattformen stattfinden. Um die Frage zu beantworten, wie sich die ursprünglich heterogenen Plattformen entwickelten wurde eine empirische Untersuchung von lokalen Beschwerderichtlinien und -portalen durchgeführt mit dem Ziel Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu identifizieren, sowie daraus folgende Konsequenzen zu erklären. Die Richtlinien können als das Konzept für den Beschwerdeprozess angesehen werden, wohingegen die Beschwerdeplattformen den praktischen Kontext darstellen, in dem bestimmte Aspekte dieser Regelungen durch technische Funktionalitäten möglich oder unmöglich gemacht werden. Die Untersuchung dieser beiden Komponenten trägt dazu bei, die Funktion und den, gegebenenfalls veränderten, Stellenwert von Beschwerdesystemen als Instrument der Regierung-Bürger-Interaktion besser zu verstehen. Diese Arbeit wurde als Fallstudie angelegt und drei Städte mit sehr aktiven Beschwerdeportalen wurden als Untersuchungsgegenstände ausgewählt. Eine Dokumentenanalyse von aktuellen und historischen Versionen von Richtlinien und Websites zeigt die Entwicklung des lokalen Kontexts in dem Beschwerden eingebracht werden können. Darauf aufbauend stellt eine quantitative Analyse von heruntergeladenen Beschwerden und Antworten der Regierung den Zusammenhang zwischen Änderungen in den Richtlinien und Websites und messbaren Größen, wie dem Beschwerdevolumen, der Antwortrate und der Antwortzeit her, um die Auswirkungen dieser Anpassungen besser verstehen zu können. Ergebnisse zeigen unterschiedliche Entwicklungen der lokalen Plattformen, jedoch gemeinsame Trends, wie die Tendenz zu umfangreicheren Portalen, strikteren und spezifischeren Regeln, sowie Vorgaben zu kürzeren Antwortzeiten, welche auch vermehrt von den lokalen Behörden eingehalten werden. Außerdem wurde festgestellt, dass, obwohl das Volumen der öffentlich sichtbaren Beschwerden wächst, bestimmte Aspekte wie Zufriedenheitswerte oder Kommentare der lokalen Führung nicht mehr öffentlich einsehbar sind. Dies deutet darauf hin, dass diese Plattformen als Werkzeug zum Legitimitätsgewinn genutzt werden und Änderungen an den Plattformen vorgenommen werden, um der Öffentlichkeit ein vorteilhafteres Bild der Regierungsarbeit zu vermitteln.