Abstract (deu)
Die vorliegende Masterarbeit befasst sich mit der Wahrnehmung des Gletscherrückgangs und mit den damit verbundenen Reaktionen im Kontext der Klimaerwärmung in "Neustift im Stubaital" in Österreich. Die Fallstudie basiert auf einer ethnographischen Feldforschung, die in diesem Tourismusort und auf den nahegelegenen Gletschern durchgeführt worden ist. In Neustift prägen die visuell präsenten Gletscher nicht nur den Tourismus, sondern auch die lokale Identität und den Heimatsbegriff. Da der Skitourismus den wichtigsten Wirtschaftsfaktor im Stubaital darstellt, sind die schwindenden Gletscher für Neustift von zentraler Bedeutung. Allerdings trägt die Skiindustrie zum Klimawandel und dadurch zum Abschmelzen der Gletscher bei, von denen Neustift wirtschaftlich abhängig ist. Die Feldforschung hat gezeigt, dass die Wahrnehmung des lokalen Gletscherschwunds auf dem zugrundeliegenden Naturverständnis sowie auf dem gesellschaftlichen Verhältnis zu der wirtschaftlich genutzten Umwelt beruht. Darüber hinaus dominiert das Gletscherskigebiet in Neustift den Diskurs über die Entwicklung der lokalen Gletscher. Der beobachtbare Gletscherrückgang wird meistens als eine sichtbare Auswirkung der globalen Klimaerwärmung verstanden und trägt daher zu dem allgemeinen Bewusstsein für den Klimawandel bei. Dieser wird eher als eine natürliche Entwicklung denn als eine Folge des anthropogenen Einflusses auf die Umwelt betrachtet. Dennoch äußern viele InterviewpartnerInnen Besorgnis und Trauer über das Abschmelzen der als ästhetisch bewerteten Gletscher, mit welchen sie sich identifizieren und emotional verbunden fühlen. Da die Risiken des Gletscherrückgangs weitgehend bekannt sind, werden in Neustift unterschiedliche Anpassungsstrategien in Bezug auf die sich verändernden Umweltbedingungen verfolgt. Im Gegensatz dazu sind bisher nur wenige individuelle oder kollektive Klima- und Umweltschutzmaßnahmen umgesetzt worden. Die vorliegende Untersuchung hat gezeigt, dass die Sichtbarkeit des Gletscherschwunds sowie Wissen über die negativen Auswirkungen der globalen Klimaerwärmung nur einen begrenzten Einfluss auf das tatsächliche Verhalten der Menschen haben. In Übereinstimmung mit empirischer Literatur hat diese Fallstudie bestätigt, dass die Perspektiven der lokalen Bevölkerung auf den Gletscherrückgang wertvolle Erkenntnisse für den Umgang mit der globalen Klimakrise liefern können.