Abstract (deu)
Pflanzen sind essenziell für unser tägliches Leben, bilden die Basis für viele Ökosysteme und spielen eine wichtige Rolle für das Klima. Trotz dieser offensichtlichen Bedeutung werden Pflanzen und ihre Relevanz häufig übersehen und Schüler_innen zeigen nur geringes Interes-se an botanischen Inhalten. Schüler_innen verfügen zudem nur über ein eingeschränktes Wissen über Pflanzen und haben Schwierigkeiten, die Entwicklungsstadien einer Pflanze nachzuvollziehen. Für ein Verständnis dieser Stadien ist eine Kenntnis der verbindenden Prozesse, insbesondere der Prozesse der sexuellen Reproduktion (Bestäubung, Pollen-schlauchwachstum, Befruchtung, Samenausbreitung) bedeutsam. Diese Prozesse wurden bislang allerdings noch nicht didaktisch untersucht, obwohl Erkenntnisse über Schü-ler_innenvorstellungen und inhaltliche Aspekte dazu beitragen könnten, das Verständnis über die Entwicklung von Pflanzen zu verbessern.
Deshalb untersucht die vorliegende Studie genau diese Vorstellungen zu den Prozessen der Fortpflanzung von Pflanzen im Rahmen des Modells der Didaktischen Rekonstruktion. Der Fokus liegt dabei auf der Untersuchung der Schüler_innenvorstellungen und der fachlichen Klärung. Die Analyse der Schüler_innenvorstellungen erfolgt mithilfe von Interviews (n=7) und mithilfe von offenen schriftlichen Aufgabestellungen (n=724), wobei die Schulstufen 5-12 (Alter 10-18 Jahre) einbezogen wurden. Für die fachliche Klärung wurden sieben Fachbü-cher untersucht, die sich in der Sprache (Deutsch/Englisch), im Erscheinungsjahr (histo-risch/aktuell) und in der Zielgruppe (Bücher für „Expert_innen“/“Lai_innen“) unterscheiden.
Die Analyse der Schüler_innenvorstellungen zeigt, dass Schüler_innen Schwierigkeiten ha-ben, die Bedeutung der aufeinander folgenden Prozesse Bestäubung und Samenausbreitung zu erkennen. Stattdessen werden diese Prozesse häufig verwechselt oder nur ein Prozess wird als notwendig für die Fortpflanzung genannt. Der dazwischenliegende Prozess des Pol-lenschlauchwachstums findet sich in nahezu keiner Beschreibung. Zudem zeigt sich, dass die Vorstellungen zur Funktion von Samen ausgeprägter sind als jene zur Funktion des Pollens. Die fachliche Klärung macht deutlich, dass Fortpflanzung der Pflanzen ein sehr breit gefä-chertes Themengebiet darstellt und viele Verbindungen zu verschiedenen biologischen Dis-ziplinen beinhaltet. Zentrale Inhalte sind die Bedeutung von Blüten und Früchten, sowie die evolutionäre Entwicklung von Blumentypen und Bestäubungsmechanismen.
Die Ergebnisse haben konkrete Implikationen für den Unterricht. Die Vertrautheit der Schü-ler_innen mit Samen und deren Funktion kann als Startpunkt für das Lernen über die Repro-duktion von Pflanzen genutzt werden. Die Verknüpfung von Bestäubung und Samenausbrei-tung sollte verstärkt werden indem die Funktion und die „Lebendigkeit“ des Pollens durch das Pollenschlauchwachstum verdeutlicht wird. Metaphern, die eine absichtliche Übertra-gung von Pollen („Transport“) oder die Leblosigkeit von Substanzen („Staub“, „Schlauch“) implizieren, müssen im Unterricht kritisch diskutiert werden. Die in der Studie verwendeten schriftlichen Aufgabestellungen eignen sich auch für den Einsatz im Unterricht. Durch diese können die Vorstellungen der Schüler_innen transparent gemacht und als Ausgangspunkt für das Lernen genutzt werden.