Abstract (deu)
Das Ziel der vorliegenden Masterarbeit ist es, die stilistische und narrative Inszenierung von sexualisierter Gewalt im Spielfilm anhand von zwei Beispielen (Alles ist gut, R: Eva Trobisch, DE 2018 und Joy, R.: Sudabeh Mortezai, AT 2018) zu untersuchen. Wichtige theoretische Konzepte zur Thematik von gesellschaftlicher Wahrnehmung (Brownmiller 1976, Sanyal 2016) und „Vergewaltigungsmythen“ (Burt 1980) sowie die juristische Ausgangslage (Breiter 1995, Kratzer 2010), Statistiken („Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland“ 2005, „Gewalt in der Familie und im nahen sozialen Umfeld. Österreichische Prävalenzstudie zur Gewalt an Frauen und Männern“ 2011) und feministische Perspektiven (Thürmer-Rohr 1990, 2003, Dackweiler/Schäfer 2002) werden dabei beschrieben.
Feministische Filmtheorien (Mulvey 1975, Williams 1989) bieten die Grundlage der Repräsentationskritik an Bildern von Frauen* in filmischen Werken. Das Konzept der Intersektionalität (hooks 1992, Crenshaw 1994) und Queer-Theorien (de Laurentis 1987, Butler 1991) werden ebenfalls einbezogen. Auch die historische Entwicklung der Inszenierung sexualisierter Gewalt im Film – geprägt durch Zensur, explizite frauen*feindliche Bilder und dem Wandel zu einer Perspektive aus Sicht der Betroffenen werden erläutert. Dabei werden sexistische Narrationen und Schuldzuweisungen an die Opfer kritisiert.
Vor dem Hintergrund der Frage, ob und wie sexualisierte Gewalt inszeniert werden kann (Koch 2008, 2013), legt die Arbeit Möglichkeiten und Schwierigkeiten – vom kritischen Potenzial über Gefahren der Reproduktion – dar. Auch die Rolle von Zuschauer:innen, die sich zwischen Voyeurismus und Auslieferung verorten lässt, wird untersucht. Die stilistischen Verfahren (Auslassung, Metapher, Symbole, Zeigen) werden beschrieben.
Anhand der Methode von Faulstichs Filmanalyse (2013) zeigt sich, dass Alles ist gut und Joy sexualisierte Gewalt durch unterschiedliche stilistische Mittel (Zeigen und Auslassung) inszenieren. Auf Ebene der Narration stehen auf der einen Seite Vergewaltigung im Bekanntenkreis und der Umgang der Betroffenen mit derselben und auf der anderen Seite sexualisierte Gewalt als Herrschaftsinstrument eines frauen*feindlichen Systems im Vordergrund. Konstruktionen von Opfer-/Täter:innen-Verhalten werden in diesem Zusammenhang hinterfragt. Beide Filme kreieren über ihren dokumentarischen Stil – geprägt durch Nahaufnahmen, der stilistischen und narrativen Vermischung von Nähe und Distanz sowie die diegetische Verwendung von Musik – einen enormen Realitätseindruck und verleihen damit den Geschichten der fiktiven Frauen* Glaubwürdigkeit. Diese authentischen Inszenierungen, die ein Gewaltspektakel und Banalisierungen vermeiden, zeigen einen sensiblen Umgang mit dem emotional aufgeladenen Thema und können zu einem größeren gesellschaftlichen Bewusstsein für die Opfer beitragen.