Abstract (deu)
Während Großraumbüros bei Arbeitgeber*Innen an Beliebtheit gewinnen, treten immer häufiger Fragen bezüglich ihrer Kapazitäten ein produktives Arbeitsumfeld zu gewährleisten auf. Neben der Kosteneinsparung durch Flächenreduktion, scheint ihre vermeintliche Fähigkeit Arbeitnehmer*Innen Flexibilität und freiere Zeitgestaltung des Arbeitsalltages zu ermöglichen, ein beliebtes Argument für ihren Einsatz zu sein. In Anbetracht der vagen Bedeutung von „Flexibilität“ versucht diese Studie ein tiefergehendes Verständnis über die Beziehung zwischen Handlungen von Arbeitnehmer*Innen und den gemeinschaftlich genutzten, mehr oder weniger modularen Büroräumlichkeiten herzustellen. So wird der Bezug zwischen Raum und jenen Praktiken, die auf zeitliche (selbst-) Organisation und Entwicklung von Arbeitsrhythmen abzielen, erstellt. Die Untersuchung der praktischen Implikationen von Flexibilität in diesem spezifischen Arbeitskontext und ein Verständnis für die Praxen, die Arbeitnehmer*Innen einsetzen, um ihre Arbeitszeit zu gestalten, bedarf daher nicht nur einer Auseinandersetzung mit zwischenmenschlichen, sondern auch mit materiellen Komponenten dieses Büromodells. Eine durch Interviews und visuelle Daten angereicherte ethnographische Untersuchung mit Fokus auf Sachkultur soll daher die komplexen Beziehungen zwischen Zeitgestaltungspraxen und Büroräumlichkeiten beleuchten, um ein situiertes Verständnis von Flexibilität als Arbeitsplatzregime zu erzeugen. Raumsoziologie, (Urbane) Kosmopolitik und Akteur-Netzwerk Theorie tragen hier maßgeblich zur Analyse bei und ermöglichen eine systematische Auseinandersetzung mit der Art und Weise wie Raum Verhältnisse zwischen Akteuren, zu welchen sowohl Menschen als auch Artefakte zählen, vermittelt. So trägt diese Art von Vermittlung beispielsweise zur Genese von neuen, zeitlich begrenzten Formationen oder Raum-Zeiten bei. Die Kombination der theoretischen Ansätze verspricht so neue Erkenntnisse über das Entstehen von Zeit und Rhythmen in Räumen zu Tage zu bringen. In diesem Sinne trägt das hier entstandene Wissen über Raum als dynamisches Gefüge aus Menschen, Artefakten und ihren akustischen und visuellen Emissionen zur Literatur, die sich mit den Verhältnissen zwischen Gebäuden und Zeitgestaltung auseinandersetzt, bei. Der Blick auf Beziehungen zwischen Praktiken der Zeitgestaltung in ihren diversen Facetten und Spielräumen, mag nicht nur für die Wissenschafts- und Technikforschung oder die Soziologie, sondern auch für Raumplaner und all jene, die sich mit den materiellen und symbolischen Dimensionen des Arbeitsplatzes befassen wollen, von Interesse sein. Diese Fallstudie trägt auf theoretischer Ebene hauptsächlich zu (Urbanen) Kosmopolitik Ansätzen in der Wissenschafts- und Technikforschung bei, indem sie sich kritisch zu Positionen von Critical Urban Theory äußert, die Räume lediglich als technologisches Instrument zur Regulierung „Sozialer Ordnung“ verstehen.