Abstract (deu)
Eine Vielzahl an Studien aus Europa, Nordamerika und Australien deutet darauf hin, dass Migration einen Risikofaktor für Autismus-Spektrum-Störungen darstellt. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es demnach mögliche Zusammenhänge zwischen parentaler Migration und Autismus-Spektrum-Störungen zu analysieren und Erklärungsansätze aufzuzeigen. Außerdem verfolgt die Arbeit ein gesundheitspolitisch relevantes Ziel und schlägt die Implementierung verschiedener Maßnahmen zur Verbesserung der medizinischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Autismus vor. Um zu untersuchen, ob Migration einen Risikofaktor für Autismus-Spektrum-Störungen darstellt, wurde eine systematische Literaturrecherche durchgeführt. Mithilfe explorativer Expert*inneninterviews wurden Perspektiven über mögliche Erklärungsansätze zu diesem Zusammenhang analysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass acht von zehn Studien von einem erhöhten Risiko für eine Autismus-Spektrum-Störung bei jenen Kindern ausgehen, deren Mütter oder beide Elternteile außerhalb Europas, Nordamerikas oder Australiens geboren wurden und immigriert sind. Zwei systematische Reviews zeigen eine höhere Rate von Autismus-Spektrum-Störungen bei Kindern von Migrant*innen auf. Die qualitative Analyse der Expert*innenperspektiven identifizierte unterschiedliche Erklärungsansätze, die von traumatischen Lebensereignissen und verschiedenen Migrationsstressoren, Fehldiagnosen, über die Rolle verschiedener Umweltfaktoren und perinatalen Infektionen, den Auswirkungen sozioökonomischer Benachteiligung und Diskriminierung, über family practices und Konsanguinität hin zu einer Clusterbildung der Diagnosen in bestimmten Communities reichen. Zudem verdeutlicht die qualitative Analyse den Mangel an Wissen auf diesem Forschungsgebiet. Zusammengefasst kann festgestellt werden, dass es hinsichtlich der aufgezeigten Erklärungsansätze keine gesicherten Evidenzen gibt. Insofern wird ein Forschungsbedarf insbesondere bezogen auf die Auswirkungen verschiedener Einflussfaktoren auf die Ätiologie von immigrierten Kindern oder Kindern zugewanderter Eltern mit Autismus-Spektrum-Störung konstatiert. Zur Unterstützung der betroffenen Familien bedarf es in erster Linie gesundheitsfördernder, sozial- und gesundheitspolitischer Maßnahmen, um die bestehende und fortschreitende Benachteiligung und damit einhergehende gesundheitliche Ungleichheit für Kinder zu unterbinden.