Abstract (deu)
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Fragestellung, ob im Denken Hermann Cohens Ansätze eines Alteritätsbegriffes herausgestellt werden können. Zur Bearbeitung dieser Frage werden in der Arbeit zwei Hauptwerke, die Ethik des reinen Willens sowie die Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums examiniert. Wenn bei beiden Werken auch die Reflexion auf Alterität unter differenten Gesichtspunkten statthat, soll gezeigt werden, dass der Andere und dessen Andersheit im Zentrum des Cohen’schen Denkens stehen. Diese Schwerpunksetzung entwickelt sich aus Cohens Bestrebung heraus, den Inhalt der Ethik auf den Begriff des Menschen zu fokussieren, der von nun an im Mittelpunkt des philosophischen Systems von Cohen steht. Mit der Idee des Nebenmenschen a priori weist Cohen erstmals die bewusstseinskonstitutive Funktion, die der Andere für die Bildung des Ich einnimmt, nach. Damit ist mit dem Anderen nicht mehr irgendein Anderer gemeint, sondern wurde seinem Begriffe als der Andere konkretisiert. Dementsprechend zeichnet sich in der Ethik des reinen Willens ein erster Ansatz eines Alteritätsdenken ab, der im religionsphilosophischen Werk Cohens seine weiteren gedanklichen Ausprägungen findet. Dort steht der Mensch in seiner konkreten ethischen Existenz im Fokus, der durch das Mitleid nicht mehr den Nebenmenschen, sondern den Mitmenschen meint. Im Ausgang von Cohens Mitleidsethik, die zusammen mit Lévinas Verantwortungsbegriff gelesen wird, soll gezeigt werden, dass die Begründung der eigenen Subjektivität nur im Ausgang vom Anderen zu verstehen ist. Diese wiederum kann nur in der Gewahrung des ethischen An-spruchs, die jener an mich stellt, entdeckt werden kann.
Die Frage nach einem potentiell enthaltenen Alteritätsbegriff soll nicht nach dem Ja-Nein-Schema verhandelt werden, sondern wird eher als Versuch eines Anstoßes und einer Relektüre Cohens verstanden. Dafür wird stets auch kritisch mitberücksichtigt werden, was in Cohens Denken konträr zu einem solchen steht, ohne die vorgeführten Einwände als unüberwindbares Hindernis für die Herausstellung alteritäter Motive zu verstehen. Vielmehr zielt die Fragestellung darauf ab aufzuzeigen, dass Cohens Philosophie ganz im Zeichen des Anderen steht.