Abstract (deu)
Die vorliegende Arbeit verfolgt einen subjekt-zentrierten Ansatz (Busch, 2015, 2017, 2020) und untersucht, wie Jugendliche in Südtirol ihr sprachliches Repertoire darstellen, wie sie sich selbst als Sprecher*innen positionieren, und wie solche Positionierungen mit Sprachideologien zusammenhängen. Ziel war es dabei, Einblick darüber zu erlangen, wie Sprachideologien Eingang in sprachliche Repertoires finden. Der Südtiroler Kontext bietet sich angesichts der besonderen gesellschaftlichen Rolle von Sprache für eine solche Untersuchung an.
In der vorliegenden Arbeit stütze ich mich auf sprachbiographische Interviews mit vierundzwanzig Jugendlichen in Südtirol. Am Anfang dieser Interviews stand die Erstellung eines Sprachenportraits als kreative Visualisierung ihrer Repertoires. Ich betrachte diese Interviews als ko-konstruierte Interaktionen und greife neben Konzepten der Positionierung (Bamberg, 1997; Davies & Harré, 1990; Spitzmüller, 2013) auf verschiedene Ansätze der Interaktionsanalyse zurück und beziehe auch körperliche Aspekte der Interaktion mit ein.
Die Schilderungen meiner Interviewpartner*innen zu ihrem sprachlichen Repertoire gruppierten sich um drei Hauptthemen: sie beschrieben ihre sprachlichen Praktiken, positionierten sich in Bezug auf ihre Sprachkompetenzen und positionierten sich affektiv-emotional. Beschreibungen von sprachlichen Praktiken wiesen meist eine Sprache oder einen Dialekt einem bestimmten sozialen Raum zu oder schilderten Ordnungsprinzipien, nach denen zwischen Sprachen und/oder Dialekten gewechselt wird. In Bezug auf Kompetenzpositionierungen konnte ich zeigen, dass einige solcher Positionierungen von der ideologischen Figur des Muttersprachlers geprägt waren. Zudem wurden kompetente Sprecher*innen ideologisch als solche konstruiert, die eine normativ korrekte, "reine" Sprache mühelos sprechen und sich in einem möglichst breiten Spektrum von Interaktionen erfolgreich verständigen können. In Bezug auf affektive Positionierungen stellte ich fest, dass meine Interviewpartner Positionen der Verbundenheit, des Begehrens, der Freude, der Gleichgültigkeit und der Abneigung gegenüber bestimmten Sprachen oder Dialekten einnahmen und sich in Erzählungen aus ihrem Spracherleben als beschämt, ängstlich, stolz, bedauernd, verletzt, wütend oder frustriert positionierten, was wiederum von Sprachideologien geprägt war.