Abstract (deu)
Koalitionen sind ein politisches Instrument, das Individuen erlaubt als Mehrheit Entscheidungen zu treffen. Koalierende Individuen können somit ihre Interessen vertreten, während sie andere Gruppenmitglieder von der Entscheidung ausschließen. Unter der Annahme von Eigeninteresse werden Ressourcen durch Koalitionen daher aus koalitionstheoretischer Sicht sehr ungleich verteilt. Jüngere Befunde aus der Verhaltensforschung deuten jedoch darauf hin, dass Menschen auch prosozial motiviert sind und Verteilungen empirisch meist gleicher beobachtet als theoretisch vorhergesagt werden. Unklar ist bisher allerdings, wie prosoziale Präferenzen mehrerer Individuen in Koalitionen aggregiert werden, d.h. wie diese interagieren und sich auf die Entscheidung über die Verteilung von Ressourcen auswirken. Bspw. impliziert die Hypothese, dass sich Ressourcenanteile Dritter proportional zu den sozialen Präferenzen der koalierenden Individuen erhöhen, einen theoretischen Widerspruch, da dies die Ungleichheit unter den Koalitionsmitgliedern potenziell erhöht. Darüber hinaus sind Koalitionen per Definition zeitlich begrenzt und finden im Kontext einer Gruppe statt. Die spezielle Entscheidungsstruktur von Koalitionsverhandlungen wurde vor dem Hintergrund von prosozialen Motiven bisher nicht systematisch untersucht. In dieser Dissertation werden soziale Präferenzen daher in die theoretische Modellierung integriert und der Einfluss der Entscheidungsstruktur auf das prosoziale Verhalten wird in Koalitionsverhandlungen in vier Studien experimentell geprüft.
Die erste Studie beschäftigt sich mit der Aggregation sozialer Präferenzen in Koalitionsverhandlungen. Die drei weiteren Studien überprüfen jeweils die Auswirkung der Verhandlungsstruktur, des fortlaufenden Zeithorizonts und der Bedarfsnorm auf die Verteilungsergebnisse. Studie 1 zeigt, dass soziale Präferenzen die Verteilungsentscheidungen nicht linear, aber dennoch systematisch beeinflussen, wenn man deren Interaktion berücksichtigt. Studie 2 repliziert den Befund, dass die strukturelle Verhandlungsmacht eines Individuums dessen Anteil an der verteilbaren Ressource erhöht, zeigt jedoch ebenfalls, dass Individuen mit höherer initialer Verhandlungsmacht weniger Ressourcen zugeteilt werden, wenn diese selbst nicht Teil der Koalition sind. Studie 3 findet, dass Koalitionen, die Ressourcen gleich verteilen, eine erhöhte Stabilität aufweisen und Ressourcen in kontinuierlichen Verhandlungen dadurch insgesamt gleicher verteilt sind. Studie 4 zeigt, dass neben der Gleichheitsnorm auch die Bedarfsnorm die Verteilungen beeinflusst. In Summe zeigen die Studien, dass Verhandlungsergebnisse von Koalitionen deutlich besser erklärt werden können, wenn der Zusammenhang zwischen den strukturellen Bedingungen und prosozialen Motiven miteinbezogen wird. Die Arbeit dient somit dem erweiterten Verständnis der Bedingungen, unter denen eine Tyrannei der Mehrheit über die Minderheit erwartet werden kann.