Abstract (deu)
Unabhängige Ereignisse von Divergenz, die zu ähnlichen phänotypischen Ergebnissen führen, bieten evolutionäre Replikate, um die Anpassung an neue ökologische Nischen zu untersuchen. Die Pflanze Heliosperma pusillum bildet montane und alpine Ökotypen aus, die ihre unterschiedlichen Phänotypen beibehalten, wenn sie über mehrere Generationen hinweg in Kultur unter einheitlichen Bedingungen in einem "Common Garden" angebaut werden, und die bei reziproken Transplantationen einen Fitnessvorteil in ihrem jeweiligen Heimatstandort beweisen. Frühere Arbeiten deuten darauf hin, dass sich der montane Ökotyp in verschiedenen geografischen Gebieten mehrfach unabhängig vom alpinen Ökotyp entwickelt hat. Diese Doktorarbeit soll unser Wissen über die Evolutionsgeschichte der H. pusillum-Ökotypen verbessern und dieses System nutzen, um die Wiederholbarkeit der (epi)genetische Mechanismen hinter der phänotypischen Divergenz, der Anpassung und möglicherweise der Artbildung zu untersuchen. Unser Ziel war es molekulare Muster zu finden, die sich kurzfristig auf die wiederholte Divergenz von Ökotypen auswirken und möglicherweise zu einer stabilen evolutionären Divergenz führen. Im ersten Kapitel vergleichen wir alternative demografische Szenarien unter Verwendung des "site frequency spectrum" als summarische Statistik und führen Analysen der differentiellen Expression von Pflanzen durch, die in einem Common Garden angebaut wurden. Unsere Ergebnisse bestätigen die Unabhängigkeit der Divergenzereignisse mit nur seltenem Genfluss zwischen Ökotypenpaaren. Wir stellen fest, dass sich der behaarte montane Ökotyp mittels einer Veränderung der Genexpression an trockene und lichtarme Bedingungen angepasst hat, insbesondere jener Gene, die an der Trichombildung sowie an der Reaktion auf Trockenheit, unterschiedliche Lichtverfügbarkeit und biotische Stressfaktoren beteiligt sind. Trotz der Ähnlichkeit der Funktionen, die über die verschiedenen Divergenzereignisse hinweg betroffen sind, stellen wir nur wenig Parallelität bei den Genen fest, die zwischen den Ökotypen unterschiedlich exprimiert werden. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass Veränderungen verschiedener Gene und Komponenten der Signalwege unabhängig voneinander zu ähnlichen Ergebnissen führen. Polygene Anpassung führt also zu nicht-paralleler genetischer Divergenz und bietet alternative Wege für reproduzierbare Ergebnisse bei der wiederholten Bildung von Ökotypen. Das zweite Kapitel zielt darauf ab, die plastische von der konstitutiven Genexpressionsdivergenz zu trennen, und zwar durch Analysen von Pflanzen, die in reziproken Transplantationen gewachsen sind. Interessanterweise stellen wir fest, dass der abgeleitete montane Ökotyp eine deutlich höhere Plastizität der Genexpression aufweist als der alpine Ökotyp. Gene, die sich in der Expression plastisch verhalten, sind an ökologisch relevanten Funktionen beteiligt, die sie teilweise mit Genen teilen, die sich konstitutiv in ihrer Expression zwischen Ökotypen unterscheiden. Wir kommen zu dem Schluss, dass sich die erhöhte Expressionsplastizität in dem montanen Ökotyp wahrscheinlich als Reaktion auf trockenere und wärmere Umgebungen entwickelt hat, was im wiederum nahelegt, dass ein Gewinn an Plastizität in neuen, Stress-reichen Umgebungen zu einem Fitnessvorteil führen kann. Im dritten Kapitel wird schließlich mittels Analysen der Aktivität von kleinen RNAs in Common Garden sowie bei reziproken Transplantationen einer der möglichen Mechanismen hinter transkriptioneller und posttranskriptioneller Divergenz und Plastizität untersucht. Unsere Ergebnisse zeigen, dass kleine RNAs eine zentrale Rolle bei der Regulierung unterschiedlicher Abwehrreaktionen gegen mehrere (a)biotische Stressoren spielen. Zwischen 12 und 27% aller differentiell angezielten genomischen Regionen (DTRs) umfassen kodierende Regionen, abhängig von der Wachstumsumgebung und dem analysierten Ökotypenpaar, während ein größerer Teil der DTRs intergenisch ist. Wir entdecken verstärkte Unterschiede bei den DTRs als bei der differential Genexpression, was ein Hinweis dafür ist, dass sich evolutionäre Replikate in Bezug auf die Aktivität kleiner RNAs in weitgehend unterschiedliche Richtungen sich entwickelt haben. Außerdem deuten übereinstimmende Muster der Plastizität in DTRs und Genexpression darauf hin, dass kleine RNAs eine treibende Kraft hinter den zuvor beobachteten Unterschieden in der Plastizität der Genexpression zwischen Ökotypen sind. Insgesamt bietet diese Doktorarbeit wichtige Einblicke in die Wiederholbarkeit der funktionellen Divergenz bei der parallelen Evolution von Ökotypen. Wir zeigen, dass die phänotypische Konvergenz oft eine redundante Grundlage hat, die sich aus verschiedenen Genexpressions- und regulatorischen Veränderungen ergibt, und dass sie, mittels stabilen (epi)genetische Regulationsmechanismen, zur wiederholten Evolution einer erhöhten Plastizität der Genexpression führt.