Abstract (deu)
Diese PhD. Dissertation untersucht eine großmaßstäbige Eisenbahninfrastruktur als Verkörperung sowjetischer und postsowjetischer Staatsprojekte der Modernisierung und Identitätskonstruktion. Ich wende eine infrastrukturelle Perspektive an, um die Verstrickungen lokaler Gemeinschaften mit der Baikal-Amur-Magistrale (BAM), einer Eisenbahnstrecke, die in den 1970er und 1980er Jahren in Ostsibirien gebaut wurde, zu untersuchen. Wie hat das sowjetische BAM-Bauprojekt neue Gemeinschaften und Identitäten geformt? Welche Rolle spielen Ideologien und Erinnerungen aus der Sowjetzeit in der postsozialistischen Identitäts- und Gefühlspolitik? Welche Kontinuitäten und Brüche lassen sich beim Vergleich des sowjetischen BAM-Projekts und des postsowjetischen Wiederaufbauprogramms BAM-2 aufzeigen? Meine Ethnographie der BAM stützt sich auf eine Kombination aus Felddaten (Interviews und Beobachtungen), Archivdokumenten, politischen Grundsatz- und Strategiepapieren und Medienberichten, die in Eisenbahnstädten und indigenen Dörfern in drei Regionen Ostsibiriens gesammelt wurden. Ich bezeichne die BAM als eine transformative Infrastruktur, da meine Forschung die Rolle der Eisenbahn in der regionalen Entwicklung und sozialen Dynamik hervorhebt. Ich untersuche, wie die sowjetische BAM lokale Gemeinschaften und Identitäten aufbaute, indem sie Migranten anzog und indigene Bewohner in den Orbit der Modernisierung zog. Darüber hinaus zeige ich, wie in der Eisenbahn verkörperte sowjetische Identitäten in jüngster Zeit in öffentlichen Diskursen und Medienkampagnen rund um das BAM-2-Programm rekonstruiert und recycelt wurden. Ich behaupte, dass diese postsozialistische Identitäts- und Emotionspolitik darauf abzielt, die lokale Bevölkerung mit Modernitätsversprechen aufs Neue zu begeistern und dadurch die Loyalität der Bürger zum Staat in einer Ära sozioökonomischen Niedergangs wiederherzustellen. Meine Forschungsergebnisse, die sich in fünf „peer-reviewed“ Publikationen widerspiegeln, stellen einen Beitrag zu anthropologischen Diskussionen über postsowjetische Formen des Postsozialismus und zu den zeitlichen, politischen und affektiven Dimensionen von Infrastruktur dar.