Abstract (deu)
In der Arbeit wird Verschwörungsdenken als Disposition einer autoritären Charakterstruktur erklärt und der Frage nachgegangen, inwiefern es sich dabei um eine Demokratiegefährdung handelt. Die Auseinandersetzung mit Freuds Psychoanalyse und den darauf basierenden kritischen Theorien des Autoritarismus zeigt, dass die psychische Dynamik zwischen Innen- und Außenwelt, aus der unser psychischer Apparat entsteht, gleichsam als eine Dynamik zwischen Individuum und Gesellschaft vorhanden ist. Aufbauend auf Fromm, Löwenthal, Adorno und der Leipziger Autoritarismus Studie 2020 wird der Kernmechanismus des Verschwörungsdenkens – die Projektion – und die zugrundeliegende Triebtheorie in einen Zusammenhang mit Triebverzicht, Ich-Schwäche und Narzissmus in kapitalistischen Demokratien gestellt, der in der Pandemie besonders stark hervortritt. Krisenwahrnehmung, Deprivation, Gewaltbereitschaft, Massendynamik und Agitation stehen in einer Wechselwirkung mit dieser autoritären Dynamik und bilden somit eine Gefährdung in Form eines antidemokratischen Potentials, welches aber grundsätzlich in der paradoxen Bedingtheit eines agonalen Demokratieverständnisses grundgelegt ist. Gemäß dieser These folgt der Antidemokratismus aus der Abwehr gegen demokratieimmanente Ambivalenzen und Paradoxien, die durch die strukturellen Bedingungen einer spätkapitalistischen Gesellschaft, d.h. durch den Widerspruch von Demokratie und Kapitalismus verschärft werden. Die Tatsache, dass die Demokratie durch sich selbst gefährdet ist, geht auf die platonische Einsicht zurück, dass aus der größten Freiheit die größte Knechtschaft entstehen kann, was sich allerdings nach wie vor auf eine Demokratie bezieht, die ihrer eigenen Definition noch nicht zureichend gerecht wird.