You are here: University of Vienna PHAIDRA Detail o:1442591
Title (deu)
Die Gouvernementalität öffentlicher Dienstleistungsarbeit
eine affekt- und machtkritische Ethnographie von Arbeitsvermittlungspraxen in der Schweiz
Author
Myriam Gaitsch
Adviser
Birgit Sauer
Assessor
Gesine Fuchs
Assessor
Wolfgang Ludwig-Mayerhofer
Abstract (deu)
In meiner Dissertation untersuche ich den sukzessiven Umbau traditioneller Wohlfahrtsstaatlichkeit in einen „neo-sozialen“ Aktivierungsstaat (Lessenich 2013), der seit Mitte der 1990er-Jahre auch in der Schweiz vor sich geht. Damals wurden Obrigkeitsstaatlichkeit und BürgerInnenferne verstärkt Gegenstand öffentlicher Kritik, während umgekehrt BürgerInnennähe, Service- und Effizienzorientierung der staatlichen Verwaltung eingefordert wurden. Ansetzend an diesen staatlichen Transformationsprozessen und mit Blick auf das Untersuchungsfeld der öffentlichen Arbeitsvermittlung in der Schweiz fokussiert meine Untersuchung auf die veränderten Anforderungen an das berufliche und zugleich staatliche Handeln von Beschäftigten in einer staatlichen Arbeitsvermittlungsbehörde, einem sogenannten Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV). Die Re-Organisation staatlicher Verwaltung unter dem Leitbild des New Public Managements (NPM) betrachte ich als Ausdruck einer neuen Regierungsweise, mit Michel Foucault gesprochen als Ausdruck der „neoliberalen Gouvernementalität“. Gefühle bzw. Affekte, so zeige ich in meiner Untersuchung, spielen bei dieser Regierungsweise eine besonders wichtige Rolle. Basierend auf einem qualitativen Methodenmix (teilenehmende Beobachtungen, Shadowing, Interviews, Dokumenten- und Bildanalyse) analysiere ich in meiner ethnographischen Studie, wie sich Aktivierungsparadigma und NPM-Mechanismen auf das (professionelle) Selbstverständnis der PersonalberaterInnen auswirken und diese zu „StaatsunternehmerInnen“ und „UnternehmerInnen ihrer selbst“ machen. Serviceorientierte Beratungsarbeit unter den Vorzeichen der Aktivierung verlangt nach einem anderen Gefühlsmanagement als obrigkeitsstaatliches Verwalten (das noch gemäß Max Weber emotionslos erfolgen sollte). Bei meiner Street-level-Analyse stehen insbesondere zwei Leitfragen im Vordergrund: Im Sinne eines doing gender (while doing work) untersuche ich zum einen, wie Geschlecht in den interaktiven Praktiken der PersonalberaterInnen verhandelt wird und inwiefern die zunehmende Bedeutung affektiver Arbeit in ehemals bürokratisch verfassten Organisationen das hegemoniale Konzept von Weiblichkeit und Männlichkeit und die damit einhergehende vergeschlechtlichte Arbeitsteilung in Frage stellen. Zum anderen interessiere ich mich dafür, wie die PersonalberaterInnen auf die neuen organisationalen Anforderungen reagieren (ablehnend oder zustimmend, in Form widerständiger Praktiken o.a.). Meine Ergebnisse zeigen, dass es die Indienstnahme affektiver Arbeitspraxen zu geschlechtsspezifischen Verschiebungen in den Arbeitsnormen und Praktiken im traditionell als männlich konzipierten Staatssektor geführt hat. Überdies birgt die affektive Arbeit der PersonalberaterInnen das Potential für (individuellen und auch kollektiven) Widerstand gegen die organisationalen Veränderungsprozesse und Vermarktlichung ihrer persönlichen Ressourcen durch die Einführung bzw. Stärkung von Marktmechanismen.
Abstract (eng)
My doctoral thesis examines the transformation of the traditional welfare state into a “neo-social” activation state, which has been taking place in Switzerland since the mid-1990s. At that time, the paternalistic authority state and its inefficiency and remoteness from citizens increasingly became the subject of public criticism. Different from that, service-orientation and efficiency should characterize state action. Taking these state transformation processes as a starting point and focusing on the field of public employment services in Switzerland, my study analyses the changing demands towards the employees of a particular Swiss public employment agency – a so-called Regional Employment Centre (in German: Regionales Arbeitsvermittlungszentrum (RAV)). I consider the re-organization of state administration under the guiding principles of New Public Management (NPM) as an expression of a new mode of governance – to use Michel Foucault’s words – as an expression of “neoliberal governmentality”. My study shows that affective labour is crucial for this mode of governance and a contested area of NPM. In my ethnographic study, I analyse (based on participatory observation, shadowing, interviews, and document- and image-analysis) to what extent the mode of action of public service provision is determined by the regulation of affects. Service-oriented labour under the activation-paradigm requires an affective disposition that strongly deviates from Max Weber’s emotionless ideal of bureaucracy. In my street-level analysis, I focus on two main questions: on the one hand, I investigate which modes of „doing gender (while doing work)” can be found in the work of employees and, on the other hand, how public servants (affectively) react to the new organizational demands (e.g., in the form of resistant practices). The results of my empirical study show that there was a shift from the traditionally masculinized state or bureaucratic work towards more gender ambivalent work norms and practices due to affective work practices. Furthermore, the affective labour of the employment agents is an important source of (new) forms of solidarity and (individual as well as collective) resistance against organisational change accompanied by the increasing marketisation of the employment agents’ personal resources.
Keywords (deu)
Gouvernementalitätaffektives Regierenaffektive Arbeitdoing genderWiderstandfokussierte Ethnographie.
Keywords (eng)
governmentalityaffective governanceaffective labourdoing genderresistancefocused ethnography
Subject (deu)
Type (deu)
Persistent identifier
https://phaidra.univie.ac.at/o:1442591
rdau:P60550 (deu)
IV, 344 Seiten : Illustrationen
Number of pages
350
Members (1)
Title (deu)
Die Gouvernementalität öffentlicher Dienstleistungsarbeit
eine affekt- und machtkritische Ethnographie von Arbeitsvermittlungspraxen in der Schweiz
Author
Myriam Gaitsch
Abstract (deu)
In meiner Dissertation untersuche ich den sukzessiven Umbau traditioneller Wohlfahrtsstaatlichkeit in einen „neo-sozialen“ Aktivierungsstaat (Lessenich 2013), der seit Mitte der 1990er-Jahre auch in der Schweiz vor sich geht. Damals wurden Obrigkeitsstaatlichkeit und BürgerInnenferne verstärkt Gegenstand öffentlicher Kritik, während umgekehrt BürgerInnennähe, Service- und Effizienzorientierung der staatlichen Verwaltung eingefordert wurden. Ansetzend an diesen staatlichen Transformationsprozessen und mit Blick auf das Untersuchungsfeld der öffentlichen Arbeitsvermittlung in der Schweiz fokussiert meine Untersuchung auf die veränderten Anforderungen an das berufliche und zugleich staatliche Handeln von Beschäftigten in einer staatlichen Arbeitsvermittlungsbehörde, einem sogenannten Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV). Die Re-Organisation staatlicher Verwaltung unter dem Leitbild des New Public Managements (NPM) betrachte ich als Ausdruck einer neuen Regierungsweise, mit Michel Foucault gesprochen als Ausdruck der „neoliberalen Gouvernementalität“. Gefühle bzw. Affekte, so zeige ich in meiner Untersuchung, spielen bei dieser Regierungsweise eine besonders wichtige Rolle. Basierend auf einem qualitativen Methodenmix (teilenehmende Beobachtungen, Shadowing, Interviews, Dokumenten- und Bildanalyse) analysiere ich in meiner ethnographischen Studie, wie sich Aktivierungsparadigma und NPM-Mechanismen auf das (professionelle) Selbstverständnis der PersonalberaterInnen auswirken und diese zu „StaatsunternehmerInnen“ und „UnternehmerInnen ihrer selbst“ machen. Serviceorientierte Beratungsarbeit unter den Vorzeichen der Aktivierung verlangt nach einem anderen Gefühlsmanagement als obrigkeitsstaatliches Verwalten (das noch gemäß Max Weber emotionslos erfolgen sollte). Bei meiner Street-level-Analyse stehen insbesondere zwei Leitfragen im Vordergrund: Im Sinne eines doing gender (while doing work) untersuche ich zum einen, wie Geschlecht in den interaktiven Praktiken der PersonalberaterInnen verhandelt wird und inwiefern die zunehmende Bedeutung affektiver Arbeit in ehemals bürokratisch verfassten Organisationen das hegemoniale Konzept von Weiblichkeit und Männlichkeit und die damit einhergehende vergeschlechtlichte Arbeitsteilung in Frage stellen. Zum anderen interessiere ich mich dafür, wie die PersonalberaterInnen auf die neuen organisationalen Anforderungen reagieren (ablehnend oder zustimmend, in Form widerständiger Praktiken o.a.). Meine Ergebnisse zeigen, dass es die Indienstnahme affektiver Arbeitspraxen zu geschlechtsspezifischen Verschiebungen in den Arbeitsnormen und Praktiken im traditionell als männlich konzipierten Staatssektor geführt hat. Überdies birgt die affektive Arbeit der PersonalberaterInnen das Potential für (individuellen und auch kollektiven) Widerstand gegen die organisationalen Veränderungsprozesse und Vermarktlichung ihrer persönlichen Ressourcen durch die Einführung bzw. Stärkung von Marktmechanismen.
Abstract (eng)
My doctoral thesis examines the transformation of the traditional welfare state into a “neo-social” activation state, which has been taking place in Switzerland since the mid-1990s. At that time, the paternalistic authority state and its inefficiency and remoteness from citizens increasingly became the subject of public criticism. Different from that, service-orientation and efficiency should characterize state action. Taking these state transformation processes as a starting point and focusing on the field of public employment services in Switzerland, my study analyses the changing demands towards the employees of a particular Swiss public employment agency – a so-called Regional Employment Centre (in German: Regionales Arbeitsvermittlungszentrum (RAV)). I consider the re-organization of state administration under the guiding principles of New Public Management (NPM) as an expression of a new mode of governance – to use Michel Foucault’s words – as an expression of “neoliberal governmentality”. My study shows that affective labour is crucial for this mode of governance and a contested area of NPM. In my ethnographic study, I analyse (based on participatory observation, shadowing, interviews, and document- and image-analysis) to what extent the mode of action of public service provision is determined by the regulation of affects. Service-oriented labour under the activation-paradigm requires an affective disposition that strongly deviates from Max Weber’s emotionless ideal of bureaucracy. In my street-level analysis, I focus on two main questions: on the one hand, I investigate which modes of „doing gender (while doing work)” can be found in the work of employees and, on the other hand, how public servants (affectively) react to the new organizational demands (e.g., in the form of resistant practices). The results of my empirical study show that there was a shift from the traditionally masculinized state or bureaucratic work towards more gender ambivalent work norms and practices due to affective work practices. Furthermore, the affective labour of the employment agents is an important source of (new) forms of solidarity and (individual as well as collective) resistance against organisational change accompanied by the increasing marketisation of the employment agents’ personal resources.
Keywords (deu)
Gouvernementalitätaffektives Regierenaffektive Arbeitdoing genderWiderstandfokussierte Ethnographie.
Keywords (eng)
governmentalityaffective governanceaffective labourdoing genderresistancefocused ethnography
Subject (deu)
Type (deu)
Persistent identifier
https://phaidra.univie.ac.at/o:1597261
Number of pages
350