Abstract (deu)
Die Forschungsarbeit zum Thema Rationalität als Urteils- und Entscheidungsfindung unter Unsicherheit — beziehungsweise Intelligenz im Gehirn, der Kognition und Maschine — wurde wiederholt ein Schmelztiegel interdisziplinärer Debatten. Auf dem jüngsten Höhepunkt standen sich axiomatische Rationalität und ökologische Rationalität gegenüber. Diese Thesis argumentiert, dass diese beiden Positionen sinnvoll durch die Linse einer Wimsattschen Robustheitsanalyse trianguliert werden können, die vom wissenschaftlichem Perspektivismus abgeleitet wird. Das zugrunde liegende Ziel ist es, Meinungsverschiedenheiten, die lediglich artefaktische Nebenprodukte der Grundannahmen sind, von tatsächilchen Erkenntnissen über das Phänomen der Rationalität aus verschiedenen Perspektiven, zu differenzieren. Axiomatische und ökologische Rationalität können durch die Integration von “Computational Rationality” weiter zusammengeführt werden. Bei der Berücksichtigung von rechnerischen Einschränkungen der Kognition wird traditionell davon ausgegangen, dass rationale Agenten einen Kompromiss zwischen Geschwindigkeit und Genauigkeit optimieren müssen. Heuristiken erreichen oft die daraus resultierende niedrigere normative Obergrenze der ressourcenrationalen Optimalität. Der Konzeption dieses Kompromisses fehlt jedoch ein entscheidendes Element. Die Scherenanalogie von Herbert Simon zeigt, dass begrenzte Rationalität sowohl durch interne kognitive Einschränkungen als auch durch die Umwelt einbeschränkt ist. Die Untersuchung von Heuristiken durch das Bias-Varianz-Dilemma, mit dem jeder Organismus in einer ungewissen Lebenswelt konfrontiert ist, fügt den Kompromiss zwischen Effizienz und Robustheit hinzu. In statistischen "großen Welten" oder schlecht dargestellten Problemen können diese beiden Konflikte nicht a priori optimiert werden, sondern müssen durch kontinuierliche Lösung des Rahmenproblems verhandelt werden. Dieser Prozess der Überwindung des Rahmenproblems wird als „Relevanzrealisierung“ bezeichnet. Relevanzrealisierung beruht auf Problemtransformation, Sinnstiftung, abduktivem Denken oder systematischer Einsicht. Damit verändert sich die zentrale Rationalitätsfrage von einer apriorischen Optimalität zu einer fortwährenden unbeschränkten Anpassung eines Organismus-Umwelt-Systems. Dieses Argument zeigt die Grenzen der axiomatischen Rationalität auf und begreift sie als soziokulturelles Werkzeug für statistische "kleine Welten". Diese sind gegeben sobald die statistischen Anforderungen der "großen Welt" durch Relevanzrealisierung transformiert wurden. Diese kognitiven Erkenntnisse haben Auswirkungen auf Kategorisierung und Wahrnehmung, Wissenschaftstheorie, Ökonomie, maschinelles Lernen und angewandte Mathematik.