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Title (deu)
Die Gewalt des Positiven
Verdinglichung und Selbstverdinglichung bei migrantischen Arbeiter:innen eines transnationalen Versandhandelskonzerns
Author
Yannic Wexenberger
Adviser
Elisabeth Scheibelhofer
Co-Advisor
Johanna Neuhauser
Assessor
Elisabeth Scheibelhofer
Abstract (deu)
Die vorliegende Studie behandelt die Arbeitsbedingungen in den österreichischen Verteilerzentren eines transnationalen Versandhandelskonzerns. Sie basiert auf der Interpretation von Erfahrungen migrantischer (Leih-)Arbeiter:innen, die ich mittels problemzentrierter Interviews zugänglich gemacht habe. Ergänzend wurden Protokolle als Sekundärdaten ausgewertet, die im Rahmen einer teilnehmenden Beobachtung in einem Verteilerzentrum entstanden sind. Im Fokus der soziologischen Analyse stand, wie sich sozialstrukturelle Ungleichheiten und Herrschaftsverhältnisse in den Erzählungen der Arbeiter:innen sowie ihren Arbeits- und Lebensverhältnissen niederschlagen. Da individuelle Erfahrungen durch gesellschaftliche Verhältnisse vermittelt und damit immer auch gesellschaftliche Erfahrungen sind, erfordert deren Verständnis die fortlaufende Reflexion der Totalität des sozialen Phänomens der Arbeitsbedingungen. Deshalb werden die Flucht- beziehungsweise Migrationsbiografien der Interviewten, ihre damit einhergehende multiple Prekarität sowie die Funktionsgesetze und -mechanismen der kapitalistischen Produktionsweise permanent mitgedacht. Dafür orientiere ich mich an der von Marx ausgehenden Analyse und Kritik der politischen Ökonomie. Dieser theoretische Zugang ermöglicht eine begriffliche Durchdringung der kapitalistischen Produktionsweise und soll dem Anspruch einer Einbettung des Datenmaterials in den gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang gerecht werden. Die empirischen Ergebnisse veranschaulichen, wie Leiharbeit als Herrschaftsinstrument und Selektionsmechanismus eingesetzt wird, inwiefern die Strukturierung des Arbeitsprozesses als digitaler Taylorismus gefasst werden kann und welche Konsequenzen dies für die sozialen Beziehungen im Unternehmen hat. Darüber hinaus erörtere ich die Voraussetzungen für das Bedürfnis nach Opposition und die Barrieren ihrer Praxis. Immerfort kreist die Abhandlung um die Verdinglichung der lebendigen Arbeiter:innen zu bloßen Mitteln der Kapitalakkumulation und das damit einhergehende Leid. Die Studie trägt auf zumindest zweierlei Weise zur Entkräftung jenes öffentlichen Diskurses bei, der leidvolle Arbeitsbedingungen als Skandale oder Einzelfälle verhandelt und damit ihren allgemeinen und strukturellen Charakter verschleiert. Erstens ergänze ich mit meiner Forschung bereits bestehende soziologische Analysen zu Arbeitsbedingungen von Migrant:innen in anderen Unternehmen. Zweitens erörtere ich die Ursachen und Verursachungszusammenhänge der leidvollen Erfahrungen als strukturell bedingt. Zudem adressiere ich das Forschungsdesiderat der Verknüpfung von Arbeits- und Migrationssoziologie in Analysen konkreter sozialer Verhältnisse im Arbeitsprozess. Letztlich veranschaulicht die Studie, dass es im Kampf gegen verdinglichende Arbeitsbedingungen nicht ausreicht, allein diese zu problematisieren, sondern auch gesamtgesellschaftliche Verhältnisse und politische Regulierungen zum Gegenstand der Kritik gemacht werden müssen. Denn es sind diese Verhältnisse, welche jene multiprekäre Lage der Arbeiter:innen (mit-)konstituieren, die sie letztlich zur Hinnahme der vom Kapital festgelegten Bedingungen ihrer Selbsterhaltung im Verteilerzentrum und anderswo zwingen.
Abstract (eng)
This study sheds light on the working conditions in the Austrian distribution centers of a transnational mail order company. It is based on the interpretation of experiences of migrant (temporary) workers, which I made accessible by means of problem-centered interviews. In addition, protocols were included as secondary data, which were created in the course of participant observation in a distribution center. The sociological analysis focused on how socio-structural inequalities and power relations are reflected in the workers' narratives and their working and living conditions. Since individual experiences are mediated by social conditions and are, thus, always social experiences, understanding them requires ongoing reflection on the totality of the social phenomenon of working conditions. Therefore, the refugee or migration biographies of the interviewees, their accompanying multiple precarity, as well as the general laws and mechanisms of the capitalist mode of production are taken into account throughout. Thus, my study is based on Marxist analysis and critique of political economy. This theoretical approach allows for a conceptual understanding of the capitalist mode of production and is intended to do justice to the claim of embedding the data material in the overall social context. The empirical results illustrate how temporary work is used as an instrument of domination and selection mechanism, to what extent the structuring of the work process can be conceived of as digital Taylorism, and which consequences this has for social relations in the company. In addition, I discuss the preconditions for the need for opposition and the barriers to its practice. Continuously, the study revolves around the reification of living workers into mere means of capital accumulation and the suffering that accompanies it. The study contributes in at least two ways to invalidating the public discourse that treats hurtful working conditions as scandals or isolated cases, thus obscuring their general and structural character. First, my research complements existing sociological analyses of migrant working conditions in other companies. Second, I discuss the causes and contexts of the suffering as structurally conditioned. Moreover, I address the research desideratum of linking the fields of sociology of work and sociology of migration in the analysis of concrete social conditions in the work process. Finally, the study illustrates that in the struggle against reifying working conditions it is not sufficient to problematize working conditions alone, but that social relations and political regulations must also be criticized. For it is these relations that (co-)constitute the multi-precarious situation of the workers, which ultimately force them to accept the conditions of self-preservation set by capital in distribution centers and elsewhere.
Keywords (deu)
VerdinglichungSelbstverdinglichungmigrantische Arbeitdigitaler Taylorismuskritische Sozialforschung
Keywords (eng)
reificationself reificationmigrant labourdigital taylorismcritical social research
Subject (deu)
Subject (deu)
Subject (deu)
Subject (deu)
Subject (deu)
Subject (deu)
Subject (deu)
Subject (deu)
Subject (deu)
Type (deu)
Persistent identifier
https://phaidra.univie.ac.at/o:1603211
rdau:P60550 (deu)
110 Seiten
Number of pages
115
Members (1)
Title (deu)
Die Gewalt des Positiven
Verdinglichung und Selbstverdinglichung bei migrantischen Arbeiter:innen eines transnationalen Versandhandelskonzerns
Author
Yannic Wexenberger
Abstract (deu)
Die vorliegende Studie behandelt die Arbeitsbedingungen in den österreichischen Verteilerzentren eines transnationalen Versandhandelskonzerns. Sie basiert auf der Interpretation von Erfahrungen migrantischer (Leih-)Arbeiter:innen, die ich mittels problemzentrierter Interviews zugänglich gemacht habe. Ergänzend wurden Protokolle als Sekundärdaten ausgewertet, die im Rahmen einer teilnehmenden Beobachtung in einem Verteilerzentrum entstanden sind. Im Fokus der soziologischen Analyse stand, wie sich sozialstrukturelle Ungleichheiten und Herrschaftsverhältnisse in den Erzählungen der Arbeiter:innen sowie ihren Arbeits- und Lebensverhältnissen niederschlagen. Da individuelle Erfahrungen durch gesellschaftliche Verhältnisse vermittelt und damit immer auch gesellschaftliche Erfahrungen sind, erfordert deren Verständnis die fortlaufende Reflexion der Totalität des sozialen Phänomens der Arbeitsbedingungen. Deshalb werden die Flucht- beziehungsweise Migrationsbiografien der Interviewten, ihre damit einhergehende multiple Prekarität sowie die Funktionsgesetze und -mechanismen der kapitalistischen Produktionsweise permanent mitgedacht. Dafür orientiere ich mich an der von Marx ausgehenden Analyse und Kritik der politischen Ökonomie. Dieser theoretische Zugang ermöglicht eine begriffliche Durchdringung der kapitalistischen Produktionsweise und soll dem Anspruch einer Einbettung des Datenmaterials in den gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang gerecht werden. Die empirischen Ergebnisse veranschaulichen, wie Leiharbeit als Herrschaftsinstrument und Selektionsmechanismus eingesetzt wird, inwiefern die Strukturierung des Arbeitsprozesses als digitaler Taylorismus gefasst werden kann und welche Konsequenzen dies für die sozialen Beziehungen im Unternehmen hat. Darüber hinaus erörtere ich die Voraussetzungen für das Bedürfnis nach Opposition und die Barrieren ihrer Praxis. Immerfort kreist die Abhandlung um die Verdinglichung der lebendigen Arbeiter:innen zu bloßen Mitteln der Kapitalakkumulation und das damit einhergehende Leid. Die Studie trägt auf zumindest zweierlei Weise zur Entkräftung jenes öffentlichen Diskurses bei, der leidvolle Arbeitsbedingungen als Skandale oder Einzelfälle verhandelt und damit ihren allgemeinen und strukturellen Charakter verschleiert. Erstens ergänze ich mit meiner Forschung bereits bestehende soziologische Analysen zu Arbeitsbedingungen von Migrant:innen in anderen Unternehmen. Zweitens erörtere ich die Ursachen und Verursachungszusammenhänge der leidvollen Erfahrungen als strukturell bedingt. Zudem adressiere ich das Forschungsdesiderat der Verknüpfung von Arbeits- und Migrationssoziologie in Analysen konkreter sozialer Verhältnisse im Arbeitsprozess. Letztlich veranschaulicht die Studie, dass es im Kampf gegen verdinglichende Arbeitsbedingungen nicht ausreicht, allein diese zu problematisieren, sondern auch gesamtgesellschaftliche Verhältnisse und politische Regulierungen zum Gegenstand der Kritik gemacht werden müssen. Denn es sind diese Verhältnisse, welche jene multiprekäre Lage der Arbeiter:innen (mit-)konstituieren, die sie letztlich zur Hinnahme der vom Kapital festgelegten Bedingungen ihrer Selbsterhaltung im Verteilerzentrum und anderswo zwingen.
Abstract (eng)
This study sheds light on the working conditions in the Austrian distribution centers of a transnational mail order company. It is based on the interpretation of experiences of migrant (temporary) workers, which I made accessible by means of problem-centered interviews. In addition, protocols were included as secondary data, which were created in the course of participant observation in a distribution center. The sociological analysis focused on how socio-structural inequalities and power relations are reflected in the workers' narratives and their working and living conditions. Since individual experiences are mediated by social conditions and are, thus, always social experiences, understanding them requires ongoing reflection on the totality of the social phenomenon of working conditions. Therefore, the refugee or migration biographies of the interviewees, their accompanying multiple precarity, as well as the general laws and mechanisms of the capitalist mode of production are taken into account throughout. Thus, my study is based on Marxist analysis and critique of political economy. This theoretical approach allows for a conceptual understanding of the capitalist mode of production and is intended to do justice to the claim of embedding the data material in the overall social context. The empirical results illustrate how temporary work is used as an instrument of domination and selection mechanism, to what extent the structuring of the work process can be conceived of as digital Taylorism, and which consequences this has for social relations in the company. In addition, I discuss the preconditions for the need for opposition and the barriers to its practice. Continuously, the study revolves around the reification of living workers into mere means of capital accumulation and the suffering that accompanies it. The study contributes in at least two ways to invalidating the public discourse that treats hurtful working conditions as scandals or isolated cases, thus obscuring their general and structural character. First, my research complements existing sociological analyses of migrant working conditions in other companies. Second, I discuss the causes and contexts of the suffering as structurally conditioned. Moreover, I address the research desideratum of linking the fields of sociology of work and sociology of migration in the analysis of concrete social conditions in the work process. Finally, the study illustrates that in the struggle against reifying working conditions it is not sufficient to problematize working conditions alone, but that social relations and political regulations must also be criticized. For it is these relations that (co-)constitute the multi-precarious situation of the workers, which ultimately force them to accept the conditions of self-preservation set by capital in distribution centers and elsewhere.
Keywords (deu)
VerdinglichungSelbstverdinglichungmigrantische Arbeitdigitaler Taylorismuskritische Sozialforschung
Keywords (eng)
reificationself reificationmigrant labourdigital taylorismcritical social research
Subject (deu)
Subject (deu)
Subject (deu)
Subject (deu)
Subject (deu)
Subject (deu)
Subject (deu)
Subject (deu)
Subject (deu)
Type (deu)
Persistent identifier
https://phaidra.univie.ac.at/o:1611411
Number of pages
115