Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Schulalltag und der Bildungsqualität während den Aufständen in den Jahren 2011-2014, sowie dem aktuellen Schuljahr 2021/22. Gemäß Dorio, kann „ein revolutionärer Wandel einen [positiven] Lernprozess“ im Kontext der Bildung ermöglichen (vgl. Dorio 2017: 12). Die Revolutionen in den Jahren 2011- 2014 haben zu Veränderungen im Bildungssystem Ägyptens von Seiten des Bildungsministeriums beigetragen (vgl. Aly 2017). Vor allem haben diese Umgestaltungen die Lehre an Ägyptens Universitäten erreicht. Student*innen haben gelernt, „Wissen auf kritischer Weise aufzunehmen und auch zu produzieren“ (vgl. Dorio 2017: 18). Dies war bis kurz vor den Aufständen des "Arabischen Frühlings" nicht der Fall, als Bildung hauptsächlich auf das Auswendiglernen von Inhalten basierte (vgl. Dixon 2010: 40). Dies war der Fall an den universitären Einrichtungen während den Aufständen, doch wie sah das Bild an den ägyptischen Schulen aus? Da die beiden Revolutionen den universitären Alltag, wenn auch zu einem kleinen Teil, beeinflusst haben, wird in dieser Arbeit erforscht, inwiefern es zu ähnlichen bzw. anderweitigen Umgestaltungen bzw. Verbesserungen an Ägyptens Schulen in den Sekundarstufen I & II, im Zuge der Aufstände, gekommen ist. Daher lautet die Forschungsfrage dieser Arbeit wie folgt: „Wie haben sich der Schulalltag und die Qualität der Bildung bzw. des Schulunterrichts (mit Schwerpunkt auf citizenship education) in den Jahren 2011-2014 an den öffentlich und privat finanzierten Schulen (Sek I/II) in den Städten Kairo und Gizeh im Vergleich zur Zeit vor den Aufständen (2010) und heute (2021/22), geändert bzw. entwickelt?“ Aus der Perspektive ehemaliger und aktueller Schüler*innen der Sek I und II Um den Schulalltag und die Bildungsqualität in den Jahren 2011-2014 während den Aufständen zu rekonstruieren, wurden zu Beginn vier qualitative Interviews mit ehemaligen Schüler*innen durchgeführt. Um die aktuelle Situation zu analysieren, wurde ein durch Google-Formular erstellter Online-Fragebogen an 12-18-jährige aktuelle Schüler*innen gesendet. Das Ziel der Arbeit ist es nicht die Ergebnisse aus den Interviews zu generalisieren, sondern sich intensiv mit den Aussagen der Interviewten bezüglich des Schulalltags und der Bildungsqualität während den Aufständen auseinanderzusetzen, da erstens, die Ergebnisse auf deren Wahrnehmung und Perspektive basieren und zweitens, die qualitative Forschung das Ziel hat, die subjektive Bedeutung von Handlungen zu verstehen und zu entschlüsseln (vgl. Lettau et al. n.d.: 5). Die Interviews sind außerdem die einzige Methode, die Bildungssituation damals zu rekonstruieren, da aktuell keine Forschungsliteratur zu diesem Thema explizit vorhanden ist. Aus den Interviews haben sich folgende sechs Ober-Kategorien (OK) ergeben: 1) Schulalltag und Bildungsqualität unter Mubarak, 2) Schulalltag und Bildungsqualität während den Aufständen des 25.01.2011, 3) Schulalltag und Bildungsqualität nach den Aufständen des 25.01.2011, 4) Schulalltag und Bildungsqualität unter der Militärregierung, 5) Schulalltag und Bildungsqualität unter Mohamed Morsi und 6) Schulalltag und Bildungsqualität unter Adli Mansour. Es hat sich herausgestellt, dass unter Mubarak aufgrund der hohen Anzahl der Lernenden im Klassenraum es zu einer Unterteilung der Unterrichtszeiten in eine Früh-und Spätschicht kam (I2 37-41). Der Unterrichtsstoff wurde hauptsächlich auswendiggelernt (I1 100-103). Demnach gab es weder eine Methodenvielfalt (I3 59-62, I4- 38, I 176-178) oder Strukturierung (I1 72-73, I2 54-55, I3 26-27, I4 54-55) im Unterricht (beides wichtige Kriterien für einen „guten“ Unterricht nach Helmke 2004: 57 & Biltagy 2012: 1743) , noch Zeit für Verständnisfragen (I4 34-36), da der Stoff bis Jahresende rechtzeitig durchgenommen werden musste. Es wurde in Lehrer*innen-Akten von Seiten der Schulinspektor*innen dokumentiert, wie weit die Lehrkräfte mit dem Unterrichtsstoff schon im Voraus waren, weswegen es schwierig war, von der gewohnten Lehrmethodik abzuweichen (I3 59-62, I4-38, I 176-178). Politische Themen bzw. Diskussionen die das Regime, den Präsidenten oder seine Errungenschaften betrafen, die unter dem Begriff politische Bildung bzw. „citizenship education“ (vgl. Faour & Muasher 2011: 7) zusammengefasst werden, waren strengstens verboten (I1 140-141, I4 24-28). Die einzige Form der Ausübung von „citizenship education“ war der Prozess der Klassenprecher*innenwahlen am Anfang jedes Schuljahres (I1 126-128). Körperliche Züchtigung fand im Unterricht statt (I3 55-56). Die Nutzung von Technologie wurde nicht erfüllt, aufgrund der unzureichenden Ausstattung der Computersäle (I 4 45-46). Nachhilfe wurde von hauptsächlich allen Lernenden konsumiert, da der Lehrstoff meistens nicht verstanden wurde (I1 100-105, I4 42-43, I3 48-49, I2 47-52). Während den Aufständen des 25.01.2011 fand kein Unterricht statt, da die Lernenden damals ihre Semesterferien konsumierten. Von allen vier Interviewten kann bestätigt werden, dass das Land in einer gefährlichen Situation war (I1 193-194, I4- 70, I2 98-99, I3-67). Während der Schulalltag sich nach den Aufständen verändert hatte, ist die Bildungsqualität gleichgeblieben. So wurden sowohl die Pausen als auch die Unterrichtszeiten aufgrund der gefährlichen Lage des Landes gekürzt (I4 96-104, I1 255-257, I3 93-94, I2 122-123). Das Präsidentenbild von Hosni Mubarak wurde aus den Klassenräumen entfernt (I1 232-234, I3 109-113). Am ersten Schultag nach den Aufständen fand an allen Schulen eine Rede des*der Schuldirektors*in statt, in der Warnungen ausgesprochen wurden, über die Ereignisse zu reden, um Auseinandersetzungen zu vermeiden (I4 84-93, I3 85-91, I2 113-117). Dennoch wurde, zum ersten Mal, unter den Lernenden über politische Ereignisse (darunter die Aufstände) diskutiert (I 4 92-94, I1 236-239, I2 119-120). Während der Militärregierung kehrten die normalen Unterrichtszeiten mit den Pausen zurück (I2 129-130, I4 110-111, I3 122-124, I1 265-266). Die Bildungsqualität ist ebenso gleichgeblieben. Ein neues Kapitel über die Revolution des 25.1.2011 („Thawret 25 janayer“) ist in den Geschichtsbüchern entstanden (I1 282-283, I3 135-157, I2 137-139, I4 118- 120). Laut den Befragten war der Schulalltag und die Bildungsqualität unter Morsi genauso gleich wie unter Mubarak. Es fanden die regulären Unterrichtszeiten statt (I1 292, I2 155, I3 141-143, I4 128-29). Es wurde auch das Präsidentenbild von Morsi in den Klassenräumen wieder aufgehängt (I1 305-306, I3 143-144, I2 161-163, I4 128-133). Die Bildungsqualität hat sich unter Adli Mansour auch nicht verändert. Eine große Veränderung hat sich jedoch im Schulalltag ergeben: es gab große politische Diskussionen darüber, ob die Aufstände am 30.6. 2013 gegen Mohamed Morsi als Revolution oder Putsch bezeichnet werden müssten (I3 162-163, I1 320-323, I4 143, I2 172-174). Das Thema „citizenship education“ bzw. die politische Bildung wird in dieser Phase zu einem wichtigen Schwerpunkt. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Bildungsqualität in den Jahren 2011-2014 als behavioristisch betrachtet werden kann. In der behavioristischen Tradition der Bildungsqualität gelten Tests und Prüfungen als zentrale Merkmale des Lernens und erfüllen die Funktion als Belohnung und Bestrafung (vgl. UNICEF 2005: 33). Die Bildungsqualität in den Jahren 2011-2014 kennzeichnete sich durch überfüllte Klassenräume (I4-22, I2 37-41), reguläre und alte Unterrichtsmethoden (I3 59-62), einer Unterrichtsstrategie, die auf das Auswendiglernen basiert und einem hohen Konsum von Nachhilfeeinheiten (I1 76-78). Politische Diskussionen fanden im Unterricht und unter den Schüler*innen erst nach den Aufständen des 30.06.2013 statt (I1 294-296). Für die aktuelle Situation des Schulalltags und der Bildungsqualität hat sich aus dem Online-Fragebogen folgendes ergeben: Von den 42 Befragten, gaben 26 an, dass der Klassenraum eine hohe Anzahl an Schüler*innen aufweist, während die restlichen 16 Personen dies verweigerten (siehe Häufigkeitstabelle 16). Deshalb operieren die Schulen der 26 Befragten aktuell noch (wie zur Zeit Mubaraks) im 2-Schichten- Modus mit 61 %, während die restlichen nicht im 2-Schichten-Modell arbeiten (38 %). Auf die Frage ob der Unterricht aktuell Methodenvielfalt enthält, so antworteten 85 % der Befragten mit „ja“, während die restlichen 6 % mit „nein“ antworteten (siehe Häufigkeitstabelle 6). Nur 8 von den 42 Befragten gaben an, dass der Unterricht kritisches Denken fördert (siehe Häufigkeitstabelle 7). 52 % der aktuellen Schüler*innen gaben an, dass der Lehrstoff auch heute hauptsächlich auf „Auswendiglernen“ basiert (siehe Häufigkeitstabelle 10). Nur 31 % gaben an, dass deren Schulen vollausgestattet mit Computersälen und Sporthallen sind (siehe Häufigkeitstabelle 17). Das Problem mit dem Konsum der Nachhilfe und den damit verbundenen Nachhilfekosten ist bis heute noch nicht gelöst. 95 % der Befragten gaben an, dass sie aktuell Nachhilfestunden konsumieren (siehe Häufigkeitstabelle 19). Ein neuer Aspekt im ägyptischen Schulalltag und Schulunterricht ist die Verwendung von Tablets für die Abschlussprüfungen. Die Nutzung von technischen Geräten war unter Mubaraks Regime in den meisten Fällen nur an privaten Schulen üblich (vgl. Elbadawy 2015: 135). Die aktuellen Tablets finden auch an den öffentlichen Schulen Verwendung (vgl. El Zayat 2020: 2). So gaben 95 % der Befragten an, dass sie diese für ihre Abschlussprüfungen im Sommer 2022 verwendet haben (siehe Häufigkeitstabelle 8). Die neu eingeführten „Open-Book“-Formate für die Abschlussprüfungen sind ein neuer Aspekt in der ägyptischen Bildungsqualität. Mit diesem Format können die Schüler*innen ihre Gedanken zu einem vorgegebenen Thema abgeben (vgl. El Zayat 2020: 2). Inwieweit dies jedoch kritisches Denken fördert, bleibt eine offene Frage. Aber auch die Forschungsarbeiten, die am Ende des Schuljahres von den Lernenden abgegeben wurden, finden eine neue Bedeutung im ägyptischen Unterricht. Durch diese konnten die Lernenden ihre Kenntnisse und Fähigkeiten aus verschiedenen Disziplinen und Fächern einsetzen (vgl. El Zayat 2020: 2). Diese zwei neuen Aspekte sind wichtige Meilensteine in der ägyptischen Bildungsqualität. Inwieweit diese beiden Aspekte die Bildungsqualität in Ägypten verbessern, bleibt eine offene Frage.
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Schulalltag und der Bildungsqualität während den Aufständen in den Jahren 2011-2014, sowie dem aktuellen Schuljahr 2021/22. Gemäß Dorio, kann „ein revolutionärer Wandel einen [positiven] Lernprozess“ im Kontext der Bildung ermöglichen (vgl. Dorio 2017: 12). Die Revolutionen in den Jahren 2011- 2014 haben zu Veränderungen im Bildungssystem Ägyptens von Seiten des Bildungsministeriums beigetragen (vgl. Aly 2017). Vor allem haben diese Umgestaltungen die Lehre an Ägyptens Universitäten erreicht. Student*innen haben gelernt, „Wissen auf kritischer Weise aufzunehmen und auch zu produzieren“ (vgl. Dorio 2017: 18). Dies war bis kurz vor den Aufständen des "Arabischen Frühlings" nicht der Fall, als Bildung hauptsächlich auf das Auswendiglernen von Inhalten basierte (vgl. Dixon 2010: 40). Dies war der Fall an den universitären Einrichtungen während den Aufständen, doch wie sah das Bild an den ägyptischen Schulen aus? Da die beiden Revolutionen den universitären Alltag, wenn auch zu einem kleinen Teil, beeinflusst haben, wird in dieser Arbeit erforscht, inwiefern es zu ähnlichen bzw. anderweitigen Umgestaltungen bzw. Verbesserungen an Ägyptens Schulen in den Sekundarstufen I & II, im Zuge der Aufstände, gekommen ist. Daher lautet die Forschungsfrage dieser Arbeit wie folgt: „Wie haben sich der Schulalltag und die Qualität der Bildung bzw. des Schulunterrichts (mit Schwerpunkt auf citizenship education) in den Jahren 2011-2014 an den öffentlich und privat finanzierten Schulen (Sek I/II) in den Städten Kairo und Gizeh im Vergleich zur Zeit vor den Aufständen (2010) und heute (2021/22), geändert bzw. entwickelt?“ Aus der Perspektive ehemaliger und aktueller Schüler*innen der Sek I und II Um den Schulalltag und die Bildungsqualität in den Jahren 2011-2014 während den Aufständen zu rekonstruieren, wurden zu Beginn vier qualitative Interviews mit ehemaligen Schüler*innen durchgeführt. Um die aktuelle Situation zu analysieren, wurde ein durch Google-Formular erstellter Online-Fragebogen an 12-18-jährige aktuelle Schüler*innen gesendet. Das Ziel der Arbeit ist es nicht die Ergebnisse aus den Interviews zu generalisieren, sondern sich intensiv mit den Aussagen der Interviewten bezüglich des Schulalltags und der Bildungsqualität während den Aufständen auseinanderzusetzen, da erstens, die Ergebnisse auf deren Wahrnehmung und Perspektive basieren und zweitens, die qualitative Forschung das Ziel hat, die subjektive Bedeutung von Handlungen zu verstehen und zu entschlüsseln (vgl. Lettau et al. n.d.: 5). Die Interviews sind außerdem die einzige Methode, die Bildungssituation damals zu rekonstruieren, da aktuell keine Forschungsliteratur zu diesem Thema explizit vorhanden ist. Aus den Interviews haben sich folgende sechs Ober-Kategorien (OK) ergeben: 1) Schulalltag und Bildungsqualität unter Mubarak, 2) Schulalltag und Bildungsqualität während den Aufständen des 25.01.2011, 3) Schulalltag und Bildungsqualität nach den Aufständen des 25.01.2011, 4) Schulalltag und Bildungsqualität unter der Militärregierung, 5) Schulalltag und Bildungsqualität unter Mohamed Morsi und 6) Schulalltag und Bildungsqualität unter Adli Mansour. Es hat sich herausgestellt, dass unter Mubarak aufgrund der hohen Anzahl der Lernenden im Klassenraum es zu einer Unterteilung der Unterrichtszeiten in eine Früh-und Spätschicht kam (I2 37-41). Der Unterrichtsstoff wurde hauptsächlich auswendiggelernt (I1 100-103). Demnach gab es weder eine Methodenvielfalt (I3 59-62, I4- 38, I 176-178) oder Strukturierung (I1 72-73, I2 54-55, I3 26-27, I4 54-55) im Unterricht (beides wichtige Kriterien für einen „guten“ Unterricht nach Helmke 2004: 57 & Biltagy 2012: 1743) , noch Zeit für Verständnisfragen (I4 34-36), da der Stoff bis Jahresende rechtzeitig durchgenommen werden musste. Es wurde in Lehrer*innen-Akten von Seiten der Schulinspektor*innen dokumentiert, wie weit die Lehrkräfte mit dem Unterrichtsstoff schon im Voraus waren, weswegen es schwierig war, von der gewohnten Lehrmethodik abzuweichen (I3 59-62, I4-38, I 176-178). Politische Themen bzw. Diskussionen die das Regime, den Präsidenten oder seine Errungenschaften betrafen, die unter dem Begriff politische Bildung bzw. „citizenship education“ (vgl. Faour & Muasher 2011: 7) zusammengefasst werden, waren strengstens verboten (I1 140-141, I4 24-28). Die einzige Form der Ausübung von „citizenship education“ war der Prozess der Klassenprecher*innenwahlen am Anfang jedes Schuljahres (I1 126-128). Körperliche Züchtigung fand im Unterricht statt (I3 55-56). Die Nutzung von Technologie wurde nicht erfüllt, aufgrund der unzureichenden Ausstattung der Computersäle (I 4 45-46). Nachhilfe wurde von hauptsächlich allen Lernenden konsumiert, da der Lehrstoff meistens nicht verstanden wurde (I1 100-105, I4 42-43, I3 48-49, I2 47-52). Während den Aufständen des 25.01.2011 fand kein Unterricht statt, da die Lernenden damals ihre Semesterferien konsumierten. Von allen vier Interviewten kann bestätigt werden, dass das Land in einer gefährlichen Situation war (I1 193-194, I4- 70, I2 98-99, I3-67). Während der Schulalltag sich nach den Aufständen verändert hatte, ist die Bildungsqualität gleichgeblieben. So wurden sowohl die Pausen als auch die Unterrichtszeiten aufgrund der gefährlichen Lage des Landes gekürzt (I4 96-104, I1 255-257, I3 93-94, I2 122-123). Das Präsidentenbild von Hosni Mubarak wurde aus den Klassenräumen entfernt (I1 232-234, I3 109-113). Am ersten Schultag nach den Aufständen fand an allen Schulen eine Rede des*der Schuldirektors*in statt, in der Warnungen ausgesprochen wurden, über die Ereignisse zu reden, um Auseinandersetzungen zu vermeiden (I4 84-93, I3 85-91, I2 113-117). Dennoch wurde, zum ersten Mal, unter den Lernenden über politische Ereignisse (darunter die Aufstände) diskutiert (I 4 92-94, I1 236-239, I2 119-120). Während der Militärregierung kehrten die normalen Unterrichtszeiten mit den Pausen zurück (I2 129-130, I4 110-111, I3 122-124, I1 265-266). Die Bildungsqualität ist ebenso gleichgeblieben. Ein neues Kapitel über die Revolution des 25.1.2011 („Thawret 25 janayer“) ist in den Geschichtsbüchern entstanden (I1 282-283, I3 135-157, I2 137-139, I4 118- 120). Laut den Befragten war der Schulalltag und die Bildungsqualität unter Morsi genauso gleich wie unter Mubarak. Es fanden die regulären Unterrichtszeiten statt (I1 292, I2 155, I3 141-143, I4 128-29). Es wurde auch das Präsidentenbild von Morsi in den Klassenräumen wieder aufgehängt (I1 305-306, I3 143-144, I2 161-163, I4 128-133). Die Bildungsqualität hat sich unter Adli Mansour auch nicht verändert. Eine große Veränderung hat sich jedoch im Schulalltag ergeben: es gab große politische Diskussionen darüber, ob die Aufstände am 30.6. 2013 gegen Mohamed Morsi als Revolution oder Putsch bezeichnet werden müssten (I3 162-163, I1 320-323, I4 143, I2 172-174). Das Thema „citizenship education“ bzw. die politische Bildung wird in dieser Phase zu einem wichtigen Schwerpunkt. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Bildungsqualität in den Jahren 2011-2014 als behavioristisch betrachtet werden kann. In der behavioristischen Tradition der Bildungsqualität gelten Tests und Prüfungen als zentrale Merkmale des Lernens und erfüllen die Funktion als Belohnung und Bestrafung (vgl. UNICEF 2005: 33). Die Bildungsqualität in den Jahren 2011-2014 kennzeichnete sich durch überfüllte Klassenräume (I4-22, I2 37-41), reguläre und alte Unterrichtsmethoden (I3 59-62), einer Unterrichtsstrategie, die auf das Auswendiglernen basiert und einem hohen Konsum von Nachhilfeeinheiten (I1 76-78). Politische Diskussionen fanden im Unterricht und unter den Schüler*innen erst nach den Aufständen des 30.06.2013 statt (I1 294-296). Für die aktuelle Situation des Schulalltags und der Bildungsqualität hat sich aus dem Online-Fragebogen folgendes ergeben: Von den 42 Befragten, gaben 26 an, dass der Klassenraum eine hohe Anzahl an Schüler*innen aufweist, während die restlichen 16 Personen dies verweigerten (siehe Häufigkeitstabelle 16). Deshalb operieren die Schulen der 26 Befragten aktuell noch (wie zur Zeit Mubaraks) im 2-Schichten- Modus mit 61 %, während die restlichen nicht im 2-Schichten-Modell arbeiten (38 %). Auf die Frage ob der Unterricht aktuell Methodenvielfalt enthält, so antworteten 85 % der Befragten mit „ja“, während die restlichen 6 % mit „nein“ antworteten (siehe Häufigkeitstabelle 6). Nur 8 von den 42 Befragten gaben an, dass der Unterricht kritisches Denken fördert (siehe Häufigkeitstabelle 7). 52 % der aktuellen Schüler*innen gaben an, dass der Lehrstoff auch heute hauptsächlich auf „Auswendiglernen“ basiert (siehe Häufigkeitstabelle 10). Nur 31 % gaben an, dass deren Schulen vollausgestattet mit Computersälen und Sporthallen sind (siehe Häufigkeitstabelle 17). Das Problem mit dem Konsum der Nachhilfe und den damit verbundenen Nachhilfekosten ist bis heute noch nicht gelöst. 95 % der Befragten gaben an, dass sie aktuell Nachhilfestunden konsumieren (siehe Häufigkeitstabelle 19). Ein neuer Aspekt im ägyptischen Schulalltag und Schulunterricht ist die Verwendung von Tablets für die Abschlussprüfungen. Die Nutzung von technischen Geräten war unter Mubaraks Regime in den meisten Fällen nur an privaten Schulen üblich (vgl. Elbadawy 2015: 135). Die aktuellen Tablets finden auch an den öffentlichen Schulen Verwendung (vgl. El Zayat 2020: 2). So gaben 95 % der Befragten an, dass sie diese für ihre Abschlussprüfungen im Sommer 2022 verwendet haben (siehe Häufigkeitstabelle 8). Die neu eingeführten „Open-Book“-Formate für die Abschlussprüfungen sind ein neuer Aspekt in der ägyptischen Bildungsqualität. Mit diesem Format können die Schüler*innen ihre Gedanken zu einem vorgegebenen Thema abgeben (vgl. El Zayat 2020: 2). Inwieweit dies jedoch kritisches Denken fördert, bleibt eine offene Frage. Aber auch die Forschungsarbeiten, die am Ende des Schuljahres von den Lernenden abgegeben wurden, finden eine neue Bedeutung im ägyptischen Unterricht. Durch diese konnten die Lernenden ihre Kenntnisse und Fähigkeiten aus verschiedenen Disziplinen und Fächern einsetzen (vgl. El Zayat 2020: 2). Diese zwei neuen Aspekte sind wichtige Meilensteine in der ägyptischen Bildungsqualität. Inwieweit diese beiden Aspekte die Bildungsqualität in Ägypten verbessern, bleibt eine offene Frage.