Abstract (deu)
Der Großteil der Literatur zu Parteiorganisationen versteht innerparteiliche Machtverhältnisse als relativ konstante Eigenschaften politischer Parteien, die vom statutarischen Regelwerk vorgegeben werden. Zu parteiinternen Machtdynamiken innerhalb des statutarischen Rahmens und darüber hinaus existieren hingegen kaum systematische Studien. Diese kumulative Dissertation untersucht Ursachen und Auswirkungen solcher Machtdynamiken. Die drei empirischen Papiere setzen sich mit zentralen Forschungslücken auseinander und entwickeln neue theoretische Perspektiven auf den innerparteilichen Druck, der in unterschiedlichen Situationen auf Parteieliten einwirkt. Die individuellen Beiträge behandeln folgende übergreifende Forschungsfragen: Welche Faktoren beeinflussen innerparteiliche Machtdynamiken? Und wie wirken sich innerparteiliche Machtverhältnisse auf die Selektion von Regierungspersonal aus? Auf Basis eines innovativen Datensatzes zur Behandlung von Anträgen an 41 Parteitagen der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) untersucht das erste Papier Einflussfaktoren auf die Responsivität von Parteieliten gegenüber policy- und organisationsbezogenen Forderungen von Parteiaktivist:innen. Der Artikel präsentiert seltene systematische Evidenz zu situativen Verschiebungen im relativen Einfluss verschiedener innerparteilicher Akteur:innen auf Parteientscheidungen. Das zweite und dritte Papier fokussieren auf einen Entscheidungsbereich, für welchen bislang innerparteiliche Machtverhältnisse selten als potenzielle Einflussfaktoren untersucht wurden: die Selektion von Regierungspersonal. Unter Verwendung eines umfassenden Datensatzes zur Ernennung von Minister:innen in Österreich untersucht der zweite Artikel inwiefern Forderungen der Parteibasis die Entscheidungsfreiheit von Parteieliten bei der Ernennung von Minister:innen in unterschiedlichen ministeriellen Portfolios einschränken. Der dritte Artikel befasst sich schließlich mit den Machtkämpfen innerhalb der Parteielite, zwischen dem/der Parteiführer:in und den übrigen Mitgliedern der Parteielite, über den Zugang Letzterer zu Regierungsämtern. Beide Papiere leisten Beiträge zur aktuellen akademischen Debatte über Parteienregierung und technokratische Regierungsformen. Die Ergebnisse der drei empirischen Studien legen nahe, dass innerparteiliche Machtverhältnisse wesentlich weniger starr sind als bisher vom Großteil der Literatur angenommen wurde. Innerparteiliche Machtverschiebungen werden insbesondere von der Performanz der Partei im Parteienwettbewerb beeinflusst. Die Handlungsspielräume der Parteielite (als Kollektiv) und des/der Parteiführers:in (als Individuum) sind umso weniger von den Forderungen unterer Hierarchieebenen beschränkt, je besser es ihnen gelingt elektorale Ziele der Partei zu erreichen und Zugang zu öffentlichen Ämtern zu gewährleisten. Bei der Selektion von Minister:innen werden die Entscheidungen der Parteielite nicht wesentlich von den Anliegen der Parteibasis beeinflusst, aber die relative Macht des/der Parteifühers:in innerhalb der Parteielite hat Auswirkungen auf die personelle Verflechtung zwischen dem Regierungsteam und den Führungsgremien der Partei.