Abstract (deu)
Diese Arbeit schlägt vor digitale Bürger*innenwissenschaft (Citizen Science) als Zusammenwirken mehrere Akteure zu begreifen. Technologieanbieter entwickeln digitale Funktionen die beeinflussen wie Citizen Scientists Daten beisteuern und wie die Wissenschaft diese nutzt. Die Betrachtung dieses Zusammenspiels erweitert den in der aktuellen Literatur vorherrschenden Fokus auf einzelne Akteure. Der gewählte Fall Spotteron, eine österreichische kommerzielle Plattform für die Entwicklung digitaler Citizen Science-Apps, bietet einen Kontrapunkt zu oft untersuchten US-Plattformen. Wie Spotteron Citizen Science präsentiert wird anhand von Webseitentext, Interviews, Autoethnographie und digitalen Experimenten analysiert. Dabei werden drei Darstellungen identifiziert: Die erste Perspektive beinhaltet das Geschäftsmodell von Spotteron, das digitale Bürger*innenwissenschaft als App-Design auf der Grundlage gemeinsamer Plattformfunktionen darstellt. Diese betont die Zusammenarbeit zwischen Spotteron, die Design und technologische Kompetenz bereitstellen, und Partnern, die Fachwissen und Finanzierung einbringen. Fokus ist das Ermöglichung des korrekten Erfassens von Beobachtungen durch gut gestaltete Benutzeroberflächen und Workflows. Das zweite Verständnis betrifft das Teilen von Beobachtungen innerhalb einer Social-Media-Community. Dabei liegt der Schwerpunkt auf den Citizen Scientists als Nutzern von App-Funktionen. Daraus lässt sich ein zugrunde liegendes Karrieremodell für Citizen Scientists ableiten. Dieses verbindet Nutzer*innen mit verschiedenen Ebenen der Infrastruktur wie Plattform, App, sozialen Medien und Daten. Diese Karriere beginnt als interessierte Person, welche anonym Projektdaten durchsucht. Diese werden ermutigt, sich auf der Plattform zu registrieren, um potenzielle Citizen Scientists zu werden. Citizen Scientists können als Beobachter Daten über die App bereitstellen oder als Peers die integrierten sozialen Medien nutzen, um mit der virtuellen Community zu interagieren. Die Einführung sozialer Medien in Bürger*innenwissenschaft verändert bestehende Citizen Science Praktiken. So sind Beobachtungen nicht länger potenziell anonyme, individualistische Beobachtungen, die ausschließlich mit dem Projektteam geteilt werden. Stattdessen werden sie zu personalisierten, offenen Einladungen zur Interaktion mittels sozialen Medien für die Projektcommunity. Das beinhaltet, dass ein Teil des Feedbacks, für den ursprünglich das Projektteams zuständig war, an die Community delegiert wird. Die dritte Sichtweise ist die Zusammenführung breiterer Perspektiven verschiedener Beteiligter. Dazu gehört das Verständnis der digitalen Bürger*innenwissenschaft als Plattformlösung für Technologieanbieter, als persönliche Erfahrung für Citizen Scientists und als partizipativer Ansatz für Wissenschaftstreibende. Um weitere Untersuchungen zu unterstützen, werden in dieser Arbeit abstrakte analytische Bezeichnungen und visuelle Werkzeuge vorgestellt. Diese ermöglichen die Beforschung digitaler Citizen Science Plattformen und einzelner Projekte. Dazu gehören ein Kollaborationsprofil, das die Mitwirkenden und ihre individuellen und kollaborativen Beiträge darstellt. Außerdem ein Beteiligungsprofil, das es ermöglicht, das Mitwirken mehrerer Akteure in allen Phasen eines digitalen Bürger*innenwissenschaftsprojekts darzustellen. Dieser Werkzeugkasten kann als Ausgangspunkt für Wissenschaftler*innen dienen, um verschiedene Formen der digitalen Beteiligung zu untersuchen und zu vergleichen. Außerdem ist er relevant für Citizen Science Praktiker*innen, die sich Klarheit darüber verschaffen möchten, in welchem Maße sie Beitragende in ihre Projekte einbeziehen wollen und wo digitale Technologien sie dabei unterstützen können.