Die Art und Weise, wie die Wirklichkeit erkannt und daraus wissenschaftliches Wissen produziert wird ist ein Thema der Wissenschafts- und Erkenntnistheorie. Der Positivismus ist hier eine der zentralen Perspektiven. In der zweiten Hälfte der 20. Jahrhunderts wurden die positivistischen Grundannahmen von Objektivität, Neutralität und Trennung von Subjekt und „Objekt“ der Wissensproduktion jedoch im Zuge der postmodernen Wende hinterfragt. Es entwickelten sich anti-positivistische Sichtweisen, die das Einbeziehen der Subjektivität der forschenden Person in einer reflexiven Forschungspraxis etablierten. Vor allem in den Sozialwissenschaften wird die Reflexion des Selbst in und der Einfluss der eigenen Positionalität auf die Produktion von Wissen einbezogen. Jedoch gibt es kaum empirische Forschung über Positionalität. Diese Arbeit knüpft hier an und hebt die disziplinenübergreifende Bedeutung von Positionalität hervor. Dabei wird sich in dieser Untersuchung damit beschäftigt, welche Rolle Positionalität für Forscher*innen aus dem Globalen Norden, die im Globalen Süden forschen, spielt. Dies ist vor dem Hintergrund der Kolonialität/Modernität zu betrachten, die globale Machtstrukturen und Ungerechtigkeitsverhältnisse zwischen Globalem Norden und Süden annimmt. Dafür wurden qualitative Leitfadeninterviews mit sieben Forscher*innen verschiedener Wiener Universitäten, die in Forschungsprojekten im Globalen Süden eingebunden sind, durchgeführt. Diese wurden mit Hilfe einer qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet. Dabei ist herausgekommen, dass Positionalität auf struktureller, praktischer und individueller Ebene von Forschung eine Rolle spielt. Die Präsenz von Positionalität auf diesen Ebenen hängt mit den Rahmenbedingungen wissenschaftlicher Forschung, persönlichem Bemühen und disziplinärem Hintergrund zusammen. Grundlegend kann gesagt werden, dass umso weniger/mehr Marker von Kolonialität/Modernität in einem Forschungsprozess erkenntlich sind, umso mehr/weniger Reflexion der Positionalität ist bei den Forschenden vorhanden. Es hat sich gezeigt, dass Positionalität auf struktureller Ebene die Voraussetzung für Positionalität auf praktischer und individueller Ebene ist. Die Rolle von Positionalität hängt auch vom disziplinären Hintergrund der forschenden Person ab. Hier kann zwar nicht grundsätzlich gesagt werden, dass Sozialwissenschaftler*innen ihre Positionalität innerhalb ihrer Forschung reflektieren und Naturwissenschaftler*innen das nicht tun, jedoch zeigte sich die Tendenz, dass Positionalität für die sozialwissenschaftlichen Befragten eine größere Rolle spielt.
The way in which reality is perceived and thereof scientific knowledge is produced is a topic of the philosophy and theory of science and epistemology. There, positivism is one of the central perspectives. In the second half of the 20th century, the positivist fundamental assumptions of objectivity, neutrality, and the separation of subject and "object" of knowledge production were questioned in the course of the postmodern turn. Anti-positivist views developed that established the inclusion of the subjectivity of the researcher in a reflexive research practice. Especially in the social sciences, the reflection of the self and the influence of one's positionality in the production of knowledge is included. However, there is little empirical research on positionality. This thesis picks up here and highlights the importance of positionality across disciplines. In doing so, this study addresses the role positionality plays for researchers from the Global North conducting research in the Global South. This is to be considered against the backdrop of coloniality/modernity, which assumes global power structures and relations of injustice between the Global North and South. For this purpose, qualitative guided interviews were undertaken with seven researchers from different universities in Vienna who are engaged in research projects in the Global South. These were analyzed with the help of a qualitative content analysis. It emerged that positionality plays a role on the structural, practical, and individual levels of research. The presence of positionality on these levels depends on the framework of scientific research, personal effort, and disciplinary background. Basically, it can be said that the less/more markers of coloniality/modernity are evident in a research process, the more/less reflection of positionality is present among researchers. It has been shown that positionality at the structural level is a prerequisite for positionality at the practical and individual levels. The role of positionality is also related to the disciplinary background of the researcher. Although it cannot be said in principle that social scientists reflect on their positionality within their research and natural scientists do not, but there was a tendency for positionality to play a greater role for the social science respondents.
Die Art und Weise, wie die Wirklichkeit erkannt und daraus wissenschaftliches Wissen produziert wird ist ein Thema der Wissenschafts- und Erkenntnistheorie. Der Positivismus ist hier eine der zentralen Perspektiven. In der zweiten Hälfte der 20. Jahrhunderts wurden die positivistischen Grundannahmen von Objektivität, Neutralität und Trennung von Subjekt und „Objekt“ der Wissensproduktion jedoch im Zuge der postmodernen Wende hinterfragt. Es entwickelten sich anti-positivistische Sichtweisen, die das Einbeziehen der Subjektivität der forschenden Person in einer reflexiven Forschungspraxis etablierten. Vor allem in den Sozialwissenschaften wird die Reflexion des Selbst in und der Einfluss der eigenen Positionalität auf die Produktion von Wissen einbezogen. Jedoch gibt es kaum empirische Forschung über Positionalität. Diese Arbeit knüpft hier an und hebt die disziplinenübergreifende Bedeutung von Positionalität hervor. Dabei wird sich in dieser Untersuchung damit beschäftigt, welche Rolle Positionalität für Forscher*innen aus dem Globalen Norden, die im Globalen Süden forschen, spielt. Dies ist vor dem Hintergrund der Kolonialität/Modernität zu betrachten, die globale Machtstrukturen und Ungerechtigkeitsverhältnisse zwischen Globalem Norden und Süden annimmt. Dafür wurden qualitative Leitfadeninterviews mit sieben Forscher*innen verschiedener Wiener Universitäten, die in Forschungsprojekten im Globalen Süden eingebunden sind, durchgeführt. Diese wurden mit Hilfe einer qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet. Dabei ist herausgekommen, dass Positionalität auf struktureller, praktischer und individueller Ebene von Forschung eine Rolle spielt. Die Präsenz von Positionalität auf diesen Ebenen hängt mit den Rahmenbedingungen wissenschaftlicher Forschung, persönlichem Bemühen und disziplinärem Hintergrund zusammen. Grundlegend kann gesagt werden, dass umso weniger/mehr Marker von Kolonialität/Modernität in einem Forschungsprozess erkenntlich sind, umso mehr/weniger Reflexion der Positionalität ist bei den Forschenden vorhanden. Es hat sich gezeigt, dass Positionalität auf struktureller Ebene die Voraussetzung für Positionalität auf praktischer und individueller Ebene ist. Die Rolle von Positionalität hängt auch vom disziplinären Hintergrund der forschenden Person ab. Hier kann zwar nicht grundsätzlich gesagt werden, dass Sozialwissenschaftler*innen ihre Positionalität innerhalb ihrer Forschung reflektieren und Naturwissenschaftler*innen das nicht tun, jedoch zeigte sich die Tendenz, dass Positionalität für die sozialwissenschaftlichen Befragten eine größere Rolle spielt.
The way in which reality is perceived and thereof scientific knowledge is produced is a topic of the philosophy and theory of science and epistemology. There, positivism is one of the central perspectives. In the second half of the 20th century, the positivist fundamental assumptions of objectivity, neutrality, and the separation of subject and "object" of knowledge production were questioned in the course of the postmodern turn. Anti-positivist views developed that established the inclusion of the subjectivity of the researcher in a reflexive research practice. Especially in the social sciences, the reflection of the self and the influence of one's positionality in the production of knowledge is included. However, there is little empirical research on positionality. This thesis picks up here and highlights the importance of positionality across disciplines. In doing so, this study addresses the role positionality plays for researchers from the Global North conducting research in the Global South. This is to be considered against the backdrop of coloniality/modernity, which assumes global power structures and relations of injustice between the Global North and South. For this purpose, qualitative guided interviews were undertaken with seven researchers from different universities in Vienna who are engaged in research projects in the Global South. These were analyzed with the help of a qualitative content analysis. It emerged that positionality plays a role on the structural, practical, and individual levels of research. The presence of positionality on these levels depends on the framework of scientific research, personal effort, and disciplinary background. Basically, it can be said that the less/more markers of coloniality/modernity are evident in a research process, the more/less reflection of positionality is present among researchers. It has been shown that positionality at the structural level is a prerequisite for positionality at the practical and individual levels. The role of positionality is also related to the disciplinary background of the researcher. Although it cannot be said in principle that social scientists reflect on their positionality within their research and natural scientists do not, but there was a tendency for positionality to play a greater role for the social science respondents.