You are here: University of Vienna PHAIDRA Detail o:1632725
Title (deu)
Die Farbwahrnehmungswurzeln idg. "*ḱer/*ker" im Baltischen und Slavischen
eine Studie zu Gestalt und Semantik dieser sowie einiger formal und bedeutungsmäßig nahestehender Wurzeln und ihrer Kontinuanten
Author
Elisabeth Skach
Adviser
Melanie Malzahn
Assessor
Melanie Malzahn
Abstract (deu)
Die baltischen und slavischen Kontinuanten der Wurzeln idg. *ḱer / *ker, entsprechende Lehnwörter in den an das baltisch-slavische Sprachareal angrenzenden Gebieten und Beispiele aus anderen indogermanischen Sprachen wurden für Nachforschungen zu Herkunft, Struktur und zum Ableitungsverhalten sowie zur semantischen Dynamik dieser Wurzeln herangezogen. Die aus jeweils drei Konstituenten bestehenden Grundformen *ḱer / *ker ergeben sich nach Reduktion der aus den unterschiedlichen baltischen und slavischen Kontinuanten gewonnenen Transponate durch Weglassen der Erweiterungen am Ausgang. Bei Betrachtung der Wurzelerweiterungen als mögliche frühurindogermanische Suffixe erscheinen die beiden Grundelemente als binäres nominales Farbwurzelpaar, das in Ableitungen mit den Suffixen *-o-, *-m-o-, *-n-o-, *-(e)h2-, *-to- Caland-Formen erzeugt. Das Vorhandensein oder Fehlen entsprechender (Sekundär-)Suffixe kann das Problem klären, ob es sich um seṭ- oder aniṭ-Formen handelt und wie die unterschiedliche Akzenturierung der Kontinuanten zu verstehen ist. Die Untersuchungsergebnisse geben Anstoß zur Vermutung, dass die Kontinuanten des Wurzelpaares ursprünglich bloß zur Bezeichnung heller bzw. dunkler visueller Eindrücke und zuerst wohl überhaupt nur zum Ausdruck der visuellen Wahrnehmbarkeit eines Objekts vor hellem bzw. dunklem Hintergrund dienten. Ganz radikal formuliert, ging es dabei in erster Linie nicht um die Farbbezeichnung Weiß oder Schwarz, sondern um die Artikulation der visuellen Wahrnehmbarkeit. Für die Periode, in der nicht mehr nur die visuelle Wahrnehmbarkeit ausgedrückt wurde, lassen Belege wie lit. šermuo͂ ‘Hermelinʼ annehmen, dass man von *ḱer als einer Farbwurzel WEIẞ ausgehen kann, die jedoch als solche nicht mehr belegt ist. Die Adjektive mit der Bedeutung ‘weißʼ, ‘schimmelgrauʼ usw. sind nur für bestimmte Lebewesen, Objekte und Naturerscheinungen in Gebrauch. Anders verhält es sich mit der Farbwurzel *ker SCHWARZ, deren Kontinuanten sich zum Großteil als Adjektiv mit der Bedeutung ‘schwarzʼ etabliert haben, wobei dieser Farbbegriff objektiv und allgemein gültig ist. Die Beispiele der Kontinuanten des Wurzelpaares *ḱer / *ker zeigen einerseits fließende Übergänge von Weiß zu Schwarz mit Zwischen- und Mischstufen wie Gefleckt, Gestreift, Meliert. Andererseits bilden die beiden „Endstellen“ eine semantische Opposition der Extreme Hell / Weiß bzw. Dunkel / Schwarz. Es erhebt sich die Frage, ob aus dieser Konstellation eine Dynamik und parallel zu einer vermuteten semantischen Dynamik eine strukturelle Entwicklung der indogermanischen Tektalreihe zu erschließen ist, wobei dabei nicht nur ein paralleler Verlauf, sondern eine gegenseitige Bedingtheit zu überlegen wäre. Das baltische und slavische Material und ebenso die Belege aus anderen indogermanischen Sprachen liegen offen und anschaulich da und geben wohl berechtigten Anlass zu Überlegungen in Richtung einer strukturellen und semantischen Dynamik von *ḱer zu *ker, von Hell / Weiß zu Dunkel / Schwarz, möglicherweise mit einer einzigen vorgrundsprachlichen Ausgangsform mit der Bedeutung ‘sichtbar, wahrnehmbarʼ. Mangels entsprechender vergleichbarer älterer Belege muss es jedoch bei der bloßen Beschreibung der beobachteten Gegebenheit von transponierbaren, rekonstruierbaren bzw. rekonstruierten Wortformen der Grundsprache bleiben. Die vorgestellten Besonderheiten des Wurzelpaares *ḱer / *ker können jedoch einen Hinweis für weitere Forschungen zur Frage der indogermanischen Tektalreihen liefern.
Abstract (eng)
The Baltic and Slavic continuants of the roots IE *ḱer / *ker, corresponding loanwords in the areas bordering the Baltic-Slavic language area and examples from other Indo-European languages were used for research on the origin, structure, and derivation behavior as well as on the semantic dynamics of these roots. The basic forms *ḱer / *ker, each consisting of three constituents, result after reduction of the transponats obtained from the various Baltic and Slavic continuants by omitting the extensions in the coda. Regarding the root extensions as possible early Proto-Indo-European suffixes, the two basic elements appear as a binary nominal color-root pair producing Caland forms in derivations with the suffixes *-o-, *-m-o-, *-n-o-, *-(e)h2-, *-to-. The presence or absence of adequate (secondary) suffixes can resolve the problem of whether the forms are seṭ- or aniṭ-forms and how to understand the different accentuation of the continuants. The results of the investigation give rise to the assumption that the continuants of the root pair originally only served to designate light or dark visual impressions and, at first, probably solely to express the visual perceptibility of an object in front of a light or dark background. To put it quite radically, it was not primarily about the color designation White or Black, but about the articulation of visual perception. For the period in which people no longer exclusively expressed visual perception, evidence such as Lith. šermuo͂ ‘ermineʼ suggests that *ḱer can be assumed to be a color root WHITE, which, however, is no longer attested as such. The adjectives meaning ‘whiteʼ, ‘mold greyʼ, etc. are used only for certain living beings, objects, and natural phenomena. The situation is different with the color root *ker BLACK, whose continuants have largely established themselves as an adjective meaning ‘blackʼ, this color concept being objective and generally valid. The examples of the continuants of the root pair *ḱer / *ker show flowing transitions from White to Black with intermediate and mixed levels such as spotted, striped, and mottled. On the other hand, the two "end points" form a semantic opposition of the extremes Light / White respectively Dark / Black. The question arises as to whether a dynamic and parallel to a presumed semantic dynamic a structural development of the Indo-European tectal series can be deduced from this constellation, whereby not only a parallel course, but also a mutual conditionality would have to be considered. The Baltic and Slavic material as well as the evidence from other Indo-European languages are obvious and clear and probably give valid reason to consider a structural and semantic dynamic from *ḱer to *ker, from Light / White to Dark / Black, possibly with one single pre-proto-language-starting form with the meaning ‘visible, perceptibleʼ. In the absence of corresponding comparable older evidence, the mere description of the detected existence of transposable, reconstructable or reconstructed word forms of the proto-language must remain. Nevertheless, the presented features of the root pair *ḱer / *ker can provide an indication for further research concerning the question of the Indo-European tectal series.
Keywords (deu)
indogermanische Farbwahrnehmungswurzel*ḱer*kerweißschwarzstrukturelle Dynamiksemantische DynamikKontinuantfrühurindogermanischer SuffixWurzelerweiterungenProperty-Concept-WurzelnCaland-Systemvisuelle WahrnehmbarkeitEntwicklungsemantische Opposition der BedeutungenTektalreihen
Keywords (eng)
Indo-European color perception roots*ḱer*kerwhiteblackstructural dynamicssemantic dynamicscontinuants of the rootearly Indo-European suffixeroot extensionProperty concept rootsCaland systemvisual perceptibilitydevelopmentsemantic opposition of meaningstectal seriesermineIceFrostMold
Subject (deu)
Type (deu)
Persistent identifier
https://phaidra.univie.ac.at/o:1632725
rdau:P60550 (deu)
154 Seiten : Illustrationen
Number of pages
154
Members (1)
Title (deu)
Die Farbwahrnehmungswurzeln idg. "*ḱer/*ker" im Baltischen und Slavischen
eine Studie zu Gestalt und Semantik dieser sowie einiger formal und bedeutungsmäßig nahestehender Wurzeln und ihrer Kontinuanten
Author
Elisabeth Skach
Abstract (deu)
Die baltischen und slavischen Kontinuanten der Wurzeln idg. *ḱer / *ker, entsprechende Lehnwörter in den an das baltisch-slavische Sprachareal angrenzenden Gebieten und Beispiele aus anderen indogermanischen Sprachen wurden für Nachforschungen zu Herkunft, Struktur und zum Ableitungsverhalten sowie zur semantischen Dynamik dieser Wurzeln herangezogen. Die aus jeweils drei Konstituenten bestehenden Grundformen *ḱer / *ker ergeben sich nach Reduktion der aus den unterschiedlichen baltischen und slavischen Kontinuanten gewonnenen Transponate durch Weglassen der Erweiterungen am Ausgang. Bei Betrachtung der Wurzelerweiterungen als mögliche frühurindogermanische Suffixe erscheinen die beiden Grundelemente als binäres nominales Farbwurzelpaar, das in Ableitungen mit den Suffixen *-o-, *-m-o-, *-n-o-, *-(e)h2-, *-to- Caland-Formen erzeugt. Das Vorhandensein oder Fehlen entsprechender (Sekundär-)Suffixe kann das Problem klären, ob es sich um seṭ- oder aniṭ-Formen handelt und wie die unterschiedliche Akzenturierung der Kontinuanten zu verstehen ist. Die Untersuchungsergebnisse geben Anstoß zur Vermutung, dass die Kontinuanten des Wurzelpaares ursprünglich bloß zur Bezeichnung heller bzw. dunkler visueller Eindrücke und zuerst wohl überhaupt nur zum Ausdruck der visuellen Wahrnehmbarkeit eines Objekts vor hellem bzw. dunklem Hintergrund dienten. Ganz radikal formuliert, ging es dabei in erster Linie nicht um die Farbbezeichnung Weiß oder Schwarz, sondern um die Artikulation der visuellen Wahrnehmbarkeit. Für die Periode, in der nicht mehr nur die visuelle Wahrnehmbarkeit ausgedrückt wurde, lassen Belege wie lit. šermuo͂ ‘Hermelinʼ annehmen, dass man von *ḱer als einer Farbwurzel WEIẞ ausgehen kann, die jedoch als solche nicht mehr belegt ist. Die Adjektive mit der Bedeutung ‘weißʼ, ‘schimmelgrauʼ usw. sind nur für bestimmte Lebewesen, Objekte und Naturerscheinungen in Gebrauch. Anders verhält es sich mit der Farbwurzel *ker SCHWARZ, deren Kontinuanten sich zum Großteil als Adjektiv mit der Bedeutung ‘schwarzʼ etabliert haben, wobei dieser Farbbegriff objektiv und allgemein gültig ist. Die Beispiele der Kontinuanten des Wurzelpaares *ḱer / *ker zeigen einerseits fließende Übergänge von Weiß zu Schwarz mit Zwischen- und Mischstufen wie Gefleckt, Gestreift, Meliert. Andererseits bilden die beiden „Endstellen“ eine semantische Opposition der Extreme Hell / Weiß bzw. Dunkel / Schwarz. Es erhebt sich die Frage, ob aus dieser Konstellation eine Dynamik und parallel zu einer vermuteten semantischen Dynamik eine strukturelle Entwicklung der indogermanischen Tektalreihe zu erschließen ist, wobei dabei nicht nur ein paralleler Verlauf, sondern eine gegenseitige Bedingtheit zu überlegen wäre. Das baltische und slavische Material und ebenso die Belege aus anderen indogermanischen Sprachen liegen offen und anschaulich da und geben wohl berechtigten Anlass zu Überlegungen in Richtung einer strukturellen und semantischen Dynamik von *ḱer zu *ker, von Hell / Weiß zu Dunkel / Schwarz, möglicherweise mit einer einzigen vorgrundsprachlichen Ausgangsform mit der Bedeutung ‘sichtbar, wahrnehmbarʼ. Mangels entsprechender vergleichbarer älterer Belege muss es jedoch bei der bloßen Beschreibung der beobachteten Gegebenheit von transponierbaren, rekonstruierbaren bzw. rekonstruierten Wortformen der Grundsprache bleiben. Die vorgestellten Besonderheiten des Wurzelpaares *ḱer / *ker können jedoch einen Hinweis für weitere Forschungen zur Frage der indogermanischen Tektalreihen liefern.
Abstract (eng)
The Baltic and Slavic continuants of the roots IE *ḱer / *ker, corresponding loanwords in the areas bordering the Baltic-Slavic language area and examples from other Indo-European languages were used for research on the origin, structure, and derivation behavior as well as on the semantic dynamics of these roots. The basic forms *ḱer / *ker, each consisting of three constituents, result after reduction of the transponats obtained from the various Baltic and Slavic continuants by omitting the extensions in the coda. Regarding the root extensions as possible early Proto-Indo-European suffixes, the two basic elements appear as a binary nominal color-root pair producing Caland forms in derivations with the suffixes *-o-, *-m-o-, *-n-o-, *-(e)h2-, *-to-. The presence or absence of adequate (secondary) suffixes can resolve the problem of whether the forms are seṭ- or aniṭ-forms and how to understand the different accentuation of the continuants. The results of the investigation give rise to the assumption that the continuants of the root pair originally only served to designate light or dark visual impressions and, at first, probably solely to express the visual perceptibility of an object in front of a light or dark background. To put it quite radically, it was not primarily about the color designation White or Black, but about the articulation of visual perception. For the period in which people no longer exclusively expressed visual perception, evidence such as Lith. šermuo͂ ‘ermineʼ suggests that *ḱer can be assumed to be a color root WHITE, which, however, is no longer attested as such. The adjectives meaning ‘whiteʼ, ‘mold greyʼ, etc. are used only for certain living beings, objects, and natural phenomena. The situation is different with the color root *ker BLACK, whose continuants have largely established themselves as an adjective meaning ‘blackʼ, this color concept being objective and generally valid. The examples of the continuants of the root pair *ḱer / *ker show flowing transitions from White to Black with intermediate and mixed levels such as spotted, striped, and mottled. On the other hand, the two "end points" form a semantic opposition of the extremes Light / White respectively Dark / Black. The question arises as to whether a dynamic and parallel to a presumed semantic dynamic a structural development of the Indo-European tectal series can be deduced from this constellation, whereby not only a parallel course, but also a mutual conditionality would have to be considered. The Baltic and Slavic material as well as the evidence from other Indo-European languages are obvious and clear and probably give valid reason to consider a structural and semantic dynamic from *ḱer to *ker, from Light / White to Dark / Black, possibly with one single pre-proto-language-starting form with the meaning ‘visible, perceptibleʼ. In the absence of corresponding comparable older evidence, the mere description of the detected existence of transposable, reconstructable or reconstructed word forms of the proto-language must remain. Nevertheless, the presented features of the root pair *ḱer / *ker can provide an indication for further research concerning the question of the Indo-European tectal series.
Keywords (deu)
indogermanische Farbwahrnehmungswurzel*ḱer*kerweißschwarzstrukturelle Dynamiksemantische DynamikKontinuantfrühurindogermanischer SuffixWurzelerweiterungenProperty-Concept-WurzelnCaland-Systemvisuelle WahrnehmbarkeitEntwicklungsemantische Opposition der BedeutungenTektalreihen
Keywords (eng)
Indo-European color perception roots*ḱer*kerwhiteblackstructural dynamicssemantic dynamicscontinuants of the rootearly Indo-European suffixeroot extensionProperty concept rootsCaland systemvisual perceptibilitydevelopmentsemantic opposition of meaningstectal seriesermineIceFrostMold
Subject (deu)
Type (deu)
Persistent identifier
https://phaidra.univie.ac.at/o:1632944
Number of pages
154