Abstract (deu)
Emotionen nehmen Einfluss auf das Denken, die Wahrnehmung und Handlungen von Personen (Datler 2012, 11). Sind geistige Kapazitäten von Heranwachsenden durch emotionale Belastungen gebunden, so kann dies Auswirkungen auf den Lernerfolg haben (vgl. Bundschuh 2003, 167). Somit ist auch Schule ein Ort, an dem die emotionale Welt des Kindes Raum haben muss, damit pädagogische Bemühungen erfolgreich sein können. Kreisgespräche können in ihrer Brückenfunktion diesen Erlebnissen physisch und psychisch Raum zur Verfügung stellen. Lehrperson und Gruppe können die Funktion eines Containers nach Bion (1962) übernehmen, um Mitschüler*innen bei der emotionalen Bearbeitung von Erlebtem zu unterstützen. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen Containingprozesse, welche in den Kreisgesprächen einer zweiten Klasse Volksschule im Zeitraum von September bis Dezember 2020 stattfanden. Die vorliegende Fallstudie nach Binneberg (1985) und Fatke (1995) zeigt, wie psychoanalytisch-pädagogisches Fallverstehen in der Regelklasse genutzt werden kann, um Schüler*innen der Grundstufe 1 der Volksschule im oben angeführten Sinne gerecht werden zu können. Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse der Themen „Kreisgespräch“ und „Containment“ werden in den Kontext Schule eingebettet. Mit Hilfe der Methode der Work Discussion werden Containingprozesse in Kreisgesprächen aus Praxisprotokollen, welche im Zeitraum von September bis Dezember 2020 im Zuge eines Work Discussion Seminars entstanden, isoliert, untersucht, interpretiert und die Ergebnisse diskutiert. Der Fokus liegt dabei auf dem*der einbringenden Schüler*in, der Rolle der Lehrperson und der Gruppe als Container. Die Ergebnisse der Fallstudie bestätigen, dass Containment in Kreisgesprächen stattfinden kann. Es zeigt sich, dass eine psychoanalytisch-pädagogische Zugangsweise ein differenziertes Verständnis 1) der eingebrachten Thematik, 2) der emotionalen Involviertheit der einbringenden Schülerin*des einbringenden Schülers, 3) der Gruppendynamik im Kreisgespräch ermöglicht und auch 4) der emotionalen Involviertheit der Lehrperson erlaubt. Dadurch stehen der Lehrkraft zusätzliche Handlungs- und Umgangsmöglichkeiten zur Verfügung. Weiters ergibt die Fallstudie, dass sich die Rolle der Lehrperson im Kreisgeschehen von jener in der üblichen Klassensituation unterscheidet. Auch die konzeptuelle Gestaltung von Kreisgesprächen vor dem Hintergrund des Modells des Containments unterscheidet sich von der allgemeinen Gestaltung von Kreisgesprächen. Die Analyseergebnisse bringen neue Erkenntnisse zu den Möglichkeiten der Anwendung psychoanalytischer Methoden in pädagogischen Settings und erweitern den aktuellen Wissensstand um Containment im Kontext von Schule und Unterricht. Die vorliegende Arbeit richtet sich an all jene Pädagog*innen, die Möglichkeiten suchen, sich in der Regelschule – mit Hilfe eines psychoanalytisch-pädagogischen Zugangs – bewusst mit den emotionalen Bedürfnissen ihrer Schüler*innen auseinanderzusetzen und im Zuge dessen ihre eigenen Handlungsmöglichkeiten zu erweitern.