Abstract (deu)
Im Zuge dieser Dissertation soll die Reviktimisierung durch sexualisierte Gewalt untersucht werden. Von einer solchen Reviktimisierung spricht man, wenn eine Person, die schon einmal Opfer sexualisierter Gewalt wurde, erneut Opfer einer solchen Gewalttat wird. Obwohl der Leidensdruck für reviktimisierte Personen besonders groß ist, ist dieses Phänomen eher unbekannt. In Österreich existieren bis dato keine empirischen Forschungen zum Vorkommen von Reviktimisierungen. Ursächlich dafür dürfte sein, dass sexualisierte Gewalt an Frauen gegenwärtig noch immer zu den Tabuthemen unserer vermeintlich aufgeklärten und informierten Gesellschaft zählt und den Betroffenen noch immer eine (Mit-)Schuld zu-gesprochen wird, insbesondere wenn sie sich längere Zeit nicht aus einer Gewaltbeziehung lösen (können). Durch diese Tabuisierung und die strukturelle Diskriminierung von Frauen wird verhindert, dass dieses Phänomen öffentliche Sichtbarkeit erlangt. Die Gefahr einer Stigmatisierung sowie Unüberschaubarkeit des Problems aufgrund der fehlenden Datenlage ist groß. Während häusliche Gewalt häufiger thematisiert wird und sich die nationalen Rechtsinstrumente zum Schutz von Gewaltopfern vor allem an Opfer „normaler“ – nämlich nicht sexualisierter – häuslicher Gewalt richten, wird auf die spezielle Gewaltform der sexualisierten Gewalt auch international nicht genug eingegangen. Die vergangenen Reformen des nationalen Sexualstrafrechts basierten größtenteils auf der umstrittenen Abschreckungstheorie. Ob diese restriktive Vorgehensweise im Sinne einer „neuen Punitivität“ tatsächlich dienlich ist, um Reviktimisierungen zu verhindern und den Opferinteressen zu entsprechen oder lediglich populistische Forderungen stillen soll, ist fraglich und soll ebenfalls im Zuge dieser Dissertation untersucht werden. Es ist nicht nur aus der Sicht der Wissenschaft, sondern auch im Interesse jedes einzelnen Opfers wichtig zu klären, in welchem Kontext es zu Reviktimisierungen kommen kann und welche Faktoren eine (wiederholte) Opferwerdung begünstigen bzw. umgekehrt als Schutz-faktoren präventiv wirken können. Die sexualisierte Reviktimisierung muss in Österreich als ernstes Problem erkannt und speziell adressiert werden, damit die Lebensumstände von betroffenen Frauen nachhaltig verbessert und ihnen adäquate Unterstützungsangebote gemacht werden können. Das ist ein zentrales Anliegen der Forschung im Zuge dieser Dissertation.