Bislang haben sich nur wenige Studien mit den genetischen Folgen disjunkter Verbreitungsmuster in Europa über eine größere Zahl von Arten hinweg befasst. Das arktisch-alpine Muster (das bei vielen kälteangepassten Organismen zu beobachten ist) lässt sich durch die postglaziale Verbreitung von Organismen erklären, die an ehemalige eiszeitliche Steppen und Tundren gebunden sind. Ein ähnliches, aber weniger stark disjunktes Verbreitungsbild weisen boreo-montane Organismen auf, die auf Nadelwälder in montanen und subalpinen Regionen in Mittel- oder Südeuropa sowie in der borealen Zone beschränkt sind. Vorhandene Studien beschränken sich entweder auf Fallstudien zu ausgewählten Schwerpunktarten, auf theoretische Übersichten oder auf makroökologische Ver-gleiche auf grober Skala. Ziel dieser Arbeit ist es, die genetischen Folgen der disjunkten Verbreitungsmuster europäischer Lepidopteren zu untersuchen. Für diese Studie wurde die Hypothese getestet, dass die intraspezifische genetische Differenzierung zwischen nördlichen und südlichen Populationen bei arktisch-alpinen Arten im Durchschnitt stärker ausgeprägt ist als bei boreo-montanen Arten. 36 arktisch-alpine und 78 boreo-montane Arten aus Europa wurden anhand der veröffentlichten Literatur identifiziert. Sequenzen der Cytochromoxidase-Untereinheit 1 (CO1) der ausgewählten Arten wurden aus der BOLD-Datenbank bezogen. Intraspezifische Divergenzen wurden anhand der paarweisen Kimura-2-Parameter-Distanzen bewertet. Wie erwartet wiesen die arktisch-alpinen Arten eine höhere mittlere intraspezifische Divergenz zwischen den Populationen auf als die boreo-montanen Arten. Darüber hinaus wurden für alle Berechnungstypen signifikante Unterschiede in den intraspezifischen genetischen Abständen zwischen den nördlichen und südlichen Populationen festgestellt. Außerdem wurde festgestellt, dass die genetischen Abstände zwischen den nördlichen und südlichen Populationen größer sind als innerhalb jeder Population. Bei 18 der 99 untersuchten Arten mit arktisch-alpiner und boreo-montaner Verbreitung betrug der durchschnittliche intraspezifische genetische Abstand zwischen nördlichen und südlichen Populationen mehr als 0,02, was auf eine noch nicht erkannte kryptische Vielfalt bei diesen Arten hinweist.

To date, few studies have addressed the genetic consequences of disjunct distribution patterns in Europe across larger numbers of species. The arctic-alpine pattern (as seen among many cold-adapted organisms) can be explained by post-glacial range re-arrangement in organisms bound to former glacial steppes and tundra. A similar, but less strongly disjunct distribution pattern is shown by boreo-montane organisms restricted to coniferous forests in montane and subalpine regions in south or central Europe and in the boreal zone, respectively. Existing studies have been limited to either case studies on selected focal species, theoretical reviews, or macroecological studies at a coarse level. This thesis aims to investigate the genetic consequences of disjunct distribution pat-terns among European lepidopterans. Specifically, the hypothesis that intraspecific genetic differ-entiation between regions is on average higher among arctic-alpine than in boreo-montane species was tested. 36 arctic-alpine and 78 boreo-montane species from Europe were identified using pub-lished literature and Cytochrome Oxidase Subunit 1 (CO1) sequences of the selected species were obtained from the BOLD database. Intraspecific divergences were assessed using Kimura-2 parame-ter pairwise distances. As expected, the arctic-alpine species showed a higher mean intraspecific divergence between populations than the boreo-montane species. In addition, significant differ-ences in intraspecific genetic distances were found between both northern and southern popula-tions for all calculation types. Furthermore, genetic distances between northern and southern populations were found to be greater than within each population. In 18 out of the 99 investigated species with arctic-alpine and boreo-montane distribution, the average intraspecific genetic dis-tance between northern and southern populations was found to exceed 0.02., indicating as yet un-recognized cryptic diversity in these species.