Abstract (deu)
Am 4. März 2023 haben die Vereinten Nationen ein neues Abkommen für die Ozeane finalisiert. Der rechtlich bindende Vertrag soll den Schutz und die nachhaltige Nutzung von Meeresbiodiversität von Gebieten außerhalb staatlicher Rechtsprechung (BBNJ) garantieren. Akademiker und politische Entscheidungsträger sind sich einig über die Notwendigkeit, internationale Entscheidungen über globale Umweltprobleme unseres Planeten auf wissenschaftlicher Grundlage zu treffen. Allerdings fehlt es momentan an Forschung zur Rolle der Wissenschaft in den BBNJ Verhandlungen. Diese Dissertation betrachtet Schnittstellen zwischen Wissenschaft und Politik während der BBNJ Verhandlungen, um a) akademischen Output, b) Praktiken von wissenschaftlichem Input und c) die Nutzung von Wissenschaft in den BBNJ Verhandlungen zu verstehen. Zu diesem Ziel, gibt als erstes eine umfassende Literaturübersicht über wissenschaftlichen Output einen Überblick über Schwerpunktthemen und Empfehlungen aus akademischen Kreisen. Die Probe umfasst 140 peer-review geprüfte Veröffentlichungen aus 42 Journals, verfasst von 99 Erstautoren, die bis 2020 auf englischer Sprache verfasst wurden. Ergebnisse zeigen, dass Output von Veröffentlichungen überwiegend von Ländern des Globalen Nordens verfasst worden und Empfehlungen nur zu einem bestimmten Ausmaß in die Entwurfstexte eingeflossen sind. Zweitens, bietet die Dissertation eine umfassende Studie über Wege des wissenschaftlichen Inputs in die BBNJ Verhandlungen, durch die Identifizierung der Akteure und ihre Praktiken der Schnittstellen zwischen Wissenschaft und Politik mit Hilfe von Kollaborativer Event Ethnographie. Ergebnisse demonstrieren, dass ein linearer Ansatz in Sinne von “Wissenschaft informiert Politik“ begrenzt ist und der Komplexität der Schnittstellen zwischen Wissenschaft und Politik in den BBNJ Verhandlungen nicht gerecht wird. Eine Vielzahl von Akteuren trägt zur Einbeziehung von Wissenschaft in die politischen Diskussionen bei und ein Fallbeispiel zeigt, dass Wissenschaft und Politik durch gemeinsame Wissensproduktion im Rahmen der BBNJ Verhandlungen verwoben sind. Drittens, wird die Nutzung von Wissenschaft am Beispiel eines bestimmten wissenschaftlichen Konzeptes untersucht - das Konzept der Ökologischen Konnektivität. Der Literaturüberblick und kollaborative Event Ethnographie stellten das Konzept als ein übergreifendes Thema der BBNJ Verhandlungen dar, welches von staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren mit verschiedenen Argumenten genutzt wurde. Ergebnisse deuten auf eine strategische Nutzung von Wissenschaft der BBNJ Akteure hin, und die Möglichkeit eines wissenschaftlichen Konzepts, existierende rechtliche Rahmenbedingungen in Frage zu stellen. Dies zeigt, dass die Nutzung von Wissenschaft in den internationalen Verhandlungen in Werturteile eingebettet ist und daher nicht eindeutig von Politik getrennt werden kann. Im Großen und Ganzen zeigt die Dissertation, dass ein vernetztes und komplexes Zusammenspiel von Akteuren aus der Wissenschaft und Politik zu Wissensgenerierung und -integration in die BBNJ Verhandlungen beiträgt. Diese Studie begrüßt die Diversität und Komplexität von Schnittstellen zwischen Wissenschaft und Politik, berücksichtigt epistemische Ungleichheiten und kontextualisiert Wissensintegration und –nutzung in den Verhandlungen. Diese Dissertation kombiniert die Studie von wissenschaftlichem Output über die BBNJ Verhandlungen mit einer tiefen ethnographischen Analyse der Schnittstellen zwischen Wissenschaft und Politik vor Ort und im Zeitraum zwischen den Konferenzen, um Klarheit darüber zu gewinnen, wie und von wem Wissenschaft im BBNJ Prozess produziert, integriert und genutzt wird, wie Wissenschaft und Politik im Verhandlungsprozess interagieren und durch welche Faktoren diese Beziehung bedingt ist. Am Beispiel der Verhandlungen für ein neues rechtlich-bindendes Abkommen über den Schutz und die nachhaltige Nutzung von Meeresbiodiversität von Gebieten außerhalb staatlicher Rechtsprechung, demonstriert diese Arbeit, dass Schnittstellen zwischen Wissenschaft und Politik in intergouvernementale Verhandlungen als gegenseitige Dynamiken verstanden und epistemische Ungleichheiten und limitierende Bedingungen in Erwägung gezogen werden müssen. Die Studie trägt so zu der Literatur der Umweltgovernance bei und bietet wertvolle Empfehlungen, wie Schnittstellen zwischen Wissenschaft und Politik in den Vereinten Nationen reformiert werden können.