Abstract (deu)
In einer Zeit, in der digitale Medien einen unbestreitbaren Einfluss auf die Meinungsbildung junger Menschen haben, stellt Red Pill-Content ein besonders brisantes Phänomen dar. Diese Inhalte können einer Online-Bewegung zugeordnet werden, die vor allem jungen Männern ein erfolgreiches „Mindset“ beibringen und zur Selbstverbesserung motivieren soll. Gleichzeitig propagieren Red Pill-Influencer aber auch ein konservatives bis teilweise reaktionäres Weltbild mit traditionalistischen Geschlechterrollen. Die kontroverseste Figur des Red Pill-Contents ist Andrew Tate, welcher dank teils misogynen Aussagen einer der meistdiskutierten Online-Persönlichkeiten des Jahres 2022 ist. So ist Red Pill-Content spätestens im Jahr 2022 im Mainstream angelangt und wird weltweit von Millionen jungen Männern rezipiert. Dies verdeutlicht die Dringlichkeit, die Motive für den Konsum von Red Pill-Content, als auch dessen Mechanismen und den Einfluss auf das Weltbild der Konsumenten zu verstehen. Angesichts des Mangels an qualitativen Studien zur Rezeption von Red-Pill-Inhalten zielt die vorliegende Arbeit darauf ab, eine Grundlage für zukünftige Forschungen zu schaffen. Dazu wurden qualitative Interviews mit 16 jungen Männern zwischen 14 und 28 Jahren im deutschsprachigen Raum geführt, die Red-Pill-Inhalte konsumieren. Der Fokus lag dabei ausdrücklich auf Konsumenten von Mainstream Red Pill-Content und nicht Mitgliedern von teils radikalen Red Pill-Incel-Foren, zu welchen es schon einiges an Literatur gibt. Der theoretische Rahmen der Arbeit beleuchtet die Entwicklung der Red-Pill-Bewegung aus früheren Online-Communities und deren Verankerung in der sogenannten „Mannosphäre“. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass der Konsum von Red Pill-Content aus einem Bedürfnis nach Orientierung in Fragen der Identität, Männlichkeit und sozialen Beziehungen resultiert. Junge Männer, die sich zu vielen Themen eine erste Meinung bilden und soziale beziehungsweise emotionale Unsicherheiten erleben, finden in Red Pill-Content einfache Antworten auf komplexe Lebensfragen. So stellt sich heraus, dass Red Pill-Content durchaus positive Effekte auf junge Männer haben und sie zu Selbstverbesserung motivieren kann. Red Pill-Content stärkt das Selbstbild der Konsumenten vor allem durch die Abgrenzung von und Abwertung gegenüber anderen Gruppen, insbesondere dem Feminismus. Die vermeintliche Selbstverbesserung mündet so in einer Verstärkung toxischer Männlichkeitsbilder und einer verzerrten Wahrnehmung sozialer Realitäten. Die Arbeit schließt mit der Feststellung, dass Red Pill-Inhalte eine problematische Wirkung auf das Weltbild junger Männer haben können. Die simplifizierenden und polarisierenden Botschaften der Red Pill-Influencer sind ideologisch aufgeladen und können unter Umständen die Meinungen der jungen Männer radikalisieren. Es stellt sich heraus, dass besonders jüngere Befragte leichter in ihrem Weltbild beeinflussbar und somit vulnerabler sind. Die Studie betont die Notwendigkeit, junge Menschen kritisch über diese Online-Inhalte aufzuklären und Strategien zu entwickeln, um der Verbreitung schädlicher Ideologien entgegenzuwirken.