Abstract (deu)
Ein Mondmeteorit ist ein Gestein, welches durch ein Impakt-Ereignis von der Mondoberfläche weggeschleudert wurde und in weiterer Folge auf der Erde landete. Mondmeteorite übertreffen inzwischen die ungefähr 382 Kilogramm an Probenmaterial, das von den Apollo und Luna Missionen stammt, sowohl hinsichtlich der reinen Masse als auch der Diversität. Diese Meteorite stellen wichtige zusätzliche Proben der Mondkruste dar. Allerdings ist im Gegensatz zu den Proben, welche von den Raumfahrtmissionen stammen, der genaue Herkunftsort auf der Mondoberfläche nicht bekannt, was den wissenschaftlichen Wert der Mondmeteorite etwas schmälert. Diese Doktorarbeit kombiniert die bereits etablierte Methode, die chemische Zusammensetzung eines Mondmeteoriten mit Karten der Elementverteilung auf der Mondoberfläche abzugleichen, um potenzielle Ursprungsgebiete des Meteoriten zu finden, mit einer Datenbank, die relativ junge lunare Impakt-Krater enthält. Dies stellt einen neuartigen Ansatz dar, um mögliche Ursprungskrater auf der Mondoberfläche für einen gegebenen Mondmeteoriten zu finden, wenn dieser eine geeignet charakteristische chemische Gesamtzusammensetzung aufweist. Northwest Africa (NWA) 11962 ist ein Mondmeteorit, welcher 2013 vom Naturhistorischen Museum Wien angekauft wurde. Die Petrographie von NWA 11962 wurde mit Hilfe von optischer Mikroskopie, Rasterelektronenmikroskopie und der Elektronenstrahlmikrosonde untersucht, was zur Klassifikation des Meteoriten als lunare Regolithbrekzie führte. Der Meteorit enthält eine große Vielfalt an unterschiedlichen Gesteins- und monomineralischen Klasten sowie verschiedene glasartige Klasten, eingebettet in einer glasigen Matrix. Einige der interessantesten Lithologien sind basaltische Klasten mit einem mittleren bis hohen Titangehalt und Klasten der sogenannten „high alkali suite“, seltene Felsite und Quarzmonzogabbros. Die Geochemie des Meteoriten wurde an einem homogenisierten Pulver hergestellt von einem Probenstück des Meteoriten mithilfe von Instrumenteller Neutronenaktivierung (INNA), Thermionenmassenspektrometer (TIMS) und einem Massenspektrometer mit induktiv gekoppeltem Plasma (ICP-MS) untersucht. Um einen möglichen Ursprungskrater zu finden, wurden die Ergebnisse der geochemischen Analysen des Meteoriten (konkret der Gehalt an Eisen, Thorium und Titan) mit Lunar Prospector Karten der Elementverteilung auf der Mondoberfläche und eine Datenbank mit sogenannten „lunar cold spots“ (junge Impakt Krater) mithilfe eines Python-Skripts maschinell abgeglichen. Dieser Ansatz führte zur Identifikation eines potenziellen Ursprungskraters für NWA 11962 am südwestlichen Rand des Oceanus Procellarum direkt neben Sinus Medii. Eine Limitation dieser Methode ist die Begrenzung des Datensatzes der lunaren „cold spots“ (wovon manche potenzielle Ursprungskrater der Mondmeteorite darstellen) auf die Breitengrade zwischen ±50° Nord und Süd. Bei höheren Breitengraden sind geneigte Oberflächen von einer variabler Erwärmung durch die Sonne betroffen, was zu einer signifikanten Schwankung der Oberflächentemperatur führt. Dieser Umstand behindert die Identifikation von lunaren „cold spot“ Kratern in den Polregionen. Da die Ursprungskrater der Mondmeteorite aber zufällig auf der Mondoberfläche verteilt sein sollten, enthält der Datensatz der „cold spots“ und damit auch die Ergebnisse unserer Methode nur eine Teilmenge der potenziellen Ursprungskrater. Es wäre von großem Vorteil, wenn junge „cold spot“ Impaktkrater, die außerhalb der ±50° Limitation liegen, ebenfalls in der Suche nach potenziellen Ursprungskratern berücksichtigt werden könnten. Deep Learning (DL), ist eine Methode des maschinellen Lernens, welche sich in den vergangenen Jahren sehr schnell entwickelt hat und in einer immer größer werdenden Anzahl von Studien der Erdwissenschaften und planetaren Geologie zur Anwendung kommt. Die anvisierte automatische Erkennung von Shatter Cones (Strahlenkegel) in Mars-Rover-Bildern, wie in dieser Doktorarbeit diskutiert, ist ein Beispiel für Bilderkennung durch neurale Netzwerke, die mit DL Methoden trainiert wurden. Shatter Cones sind eine besondere geologische Erscheinungsform, welche durch große Meteoritenimpakte entsteht. Sie sind der einzige mit freiem Auge sichtbare Nachweis für die Hochdruckmetamorphose während der Entstehung eines Impakt-Kraters, weshalb ihre Vorkommen eng mit der Entdeckung von Impakt-Kratern auf der Erde verbunden sind. Obwohl die Oberflächen des Mondes und des Mars mit Impakt-Kratern übersät sind, wurden weder auf diesen planetaren Körpern von bemannten und unbemannten Missionen noch in Mond- oder Marsmeteoriten Shatter Cones gefunden. Missionen mit unbemannten Erkundungsfahrzeugen sind mit zahlreichen Kameras ausgestattet, die eine riesige Anzahl an Bildaufnahmen anfertigen. Hauptsächlich aufgrund von knappen Zeitressourcen wegen der strategischen Planung können potenziell wissenschaftlich interessante Ziele nicht immer in Echtzeit analysiert werden. Eine automatische Erkennung solcher potenziellen wissenschaftlichen Ziele durch neuronale Netzwerke trainiert durch DL könnten helfen, diese Herausforderungen besser zu bewältigen. Für eine Machbarkeitsstudie im Rahmen dieser Doktorarbeit wurde die Erkennung von künstlich platzierten Shatter Cones in rekonstruierten Aufnahmen von Mars Erkundungsfahrzeugen getestet. Die Studie verwendete virtuelle Rekonstruktionen von Shatter Cones in virtuellen Szenen vom Mars, um die große Menge an notwendigen Trainingsdaten zu erstellen, da reale Trainingsdaten für die neuronalen Netzwerke nicht existieren. Solche neuronalen Netzwerke trainiert an Datensätzen von orbitalen Bilder der lunaren „cold spot“ Krater könnten möglicherweise verwendet werden, um „cold spot“ Krater zu identifizieren, die außerhalb der jetzigen ±50° Breitengrad Limitierung liegen. Dies würde die Möglichkeiten, potenzielle Ursprungskrater der Mondmeteorite zu finden, weiter erhöhen.