Abstract (deu)
Die vorliegende Studie untersucht die Arbeitsbedingungen von Frauen, die über digitale Plattformen Reinigungsdienste in privaten Haushalten anbieten. Basierend auf der Labour Process Theory nach Braverman und der Total Social Organisation of Labour nach Glucksmann wird analysiert, wie Plattformarbeit die bestehende Informalität im Reinigungssektor verstärkt und zu prekären Arbeitsverhältnissen sowie struktureller Ausbeutung von (insbesondere migrantischen) Frauen führt. Diese Analyse stützt sich auf zehn problemzentrierte Interviews mit Plattformarbeiterinnen sowie vier Expert:inneninterviews. Dabei werden die Dynamiken untersucht, die zu multipler Prekarität in diesem Niedriglohnsegment führen. Die Arbeitsrealität der befragten Hausarbeiterinnen zeichnet sich durch eingeschränkte Autonomie, unregelmäßige Arbeitszeiten, mangelnde vertragliche Absicherung, Lohndumping sowie physische und psychische Belastungen aus. Ein zentrales Merkmal ist die Kontrolle durch das Bewertungssystem der Kund:innen, die anstelle der in der Gig Economy üblichen algorithmischen Überwachung tritt und die Selbstbestimmung der Arbeiterinnen stark einschränkt. Die interviewten Plattformarbeiterinnen erleben eine ambivalente Autonomie: Zwar schätzen sie die theoretisch gebotene Flexibilität, doch in der Praxis führt die faktische Vorgabe der Arbeitszeiten durch die Kund:innen zu einer Illusion von Selbstbestimmung. Machtasymmetrien zugunsten der Kund:innen sowie fehlende soziale Absicherung und Schutzmechanismen verstärken die Prekarisierung. Frauen, insbesondere Migrantinnen, sind zudem von Mehrfachdiskriminierung und sexuellen Übergriffen betroffen. Im Rahmen dieser Arbeit soll aufgezeigt werden, dass Plattformarbeit bestehende Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern sowie Geschlechter-, Rassen- und Klassenhierarchien potenziell verschärft. Dabei werden Migrantinnen als flexible und austauschbare Arbeitskräfte instrumentalisiert, wodurch ihre Marginalisierung weiter verstärkt wird. Plattformunternehmen nutzen dabei die Krise der sozialen Reproduktion, um neue Marktchancen in einem weitgehend unregulierten Umfeld zu erschließen, was vor allem Migrantinnen benachteiligt.