Abstract (deu)
Die vorliegende Masterarbeit beschäftigt sich mit Selbstentwürfen der Bergsteigerin Helga Roithner-Wenninger (1925–2016). Ausgehend von Erkenntnissen der geschlechterhistorischen Alpinismusforschung fragt sie danach, wie Helga Roithner-Wenninger sich selbst in ihren Tage- und Tourenbüchern als Bergsteigerin im ‚Männerraum‘ Gebirge inszeniert hat. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Quellengattung der Tourenbücher, deren Führung bereits seit dem 18. Jahrhundert wichtiger Bestandteil der alpinistischen Praxis waren. Theoretische Grundlage der Arbeit sind geschlechterhistorische Ansätze sowie Theorien der Gender Studies. Analysiert werden acht Tourenbücher sowie zehn Tagebücher aus dem Nachlass Helga Roithner-Wenningers, die den Zeitraum 1940 bis 1955 umfassen und mithilfe einer qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring untersucht werden. Das Gerüst der Analyse bilden drei zusammenhängende Fragestellungen: Erstens frage ich nach der Selbstinszenierung des Selbst in den schriftlichen Aufzeichnungen Helga Roithner-Wenningers, bzw. danach, Faktoren für ihr Selbstverständnis als Bergsteigerin von Bedeutung waren, inwiefern sie sich hierbei von anderen Personen(-gruppen) abgrenzte, und inwiefern sie in ihren Aufzeichnungen männlich oder weiblich konnotierte Verhaltensweisen annahm. Die Inhaltsanalyse zeigt (in Übereinstimmung mit der Forschungsliteratur), dass Geschlecht eine zentrale Rolle für solche Selbstentwürfe spielte – wie bei anderen Bergsteigerinnen auch der Fall. Damit sich Helga Roithner-Wenninger im männlich konstruierten Raum Gebirge als ‚richtige‘ Bergsteigerin inszenieren konnte, musste sie sich rhetorisch von Frauen und der Essenz dessen, was gesellschaftlich als ‚weiblich‘ bewertet wurde, abgrenzen. Zugleich schrieb sie sich durch ihr Handeln und Sprechen in die ‚männliche‘ Gruppe ein. Zweitens untersuche ich, inwiefern Helga Roithner-Wenninger ihre Identität als Bergsteigerin innerhalb von zwischenmenschlichen Beziehungen aushandelte, und welches Verständnis von Bergkameradschaft sich in ihren Tourenbüchern widerspiegelt. Es zeigt sich, dass dieses Changieren zwischen binär verstandenen Geschlechtergrenzen so lange funktionierte, bis sie eine ernsthafte, heteroromantische Beziehung anstrebte, denn die Ideale einer (bürgerlichen) Ehefrau und Mutter waren kaum mit der Tätigkeit des Bergsteigens vereinbar. Drittens wirft die Arbeit einen Blick auf die zeitliche Entwicklung, sowohl auf einer biographischen Achse (Jugend, Verlobung, Ehe und Witwenschaft) als auch in Bezug auf den historischen Kontext (NS-Zeit, Zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit). Untersuchte Aspekte beinhalten unter anderem Beschreibungen von körperlicher und psychischer Anstrengung, Bergerfahrung, die Themen Religion und Nationalismus sowie die diskursive Abgrenzung vom bürgerlichen Leben als auch von der lokalen Bergbevölkerung.