Abstract (deu)
In meiner Arbeit beschäftige ich mich mit zwei unterschiedlichen Romani Communitys. Zum einen arbeite ich zu den Nachkommen der damaligen jugoslawischen Romani “GastarbeiterInnen“, von denen einige in der „zweiten Generation“ ein Hochschulstudium absolviert haben bzw. absolvieren. So wie ihre Eltern werden sie nicht als Angehörige von Romani Communitys wahrgenommen, sondern lediglich als „Jugoslawen“ bzw. heute als „Serben“. Zum anderen beschäftige ich mich mit gegenwärtigen MigrantInnen aus der Südslowakei, die in Graz betteln, Straßenzeitungen verkaufen oder Straßenmusik ausüben, um Geld zu verdienen. Die MigrantInnen in diesem Kontext werden als RomNija wahrgenommen.
In meiner Arbeit untersuche ich die Verhandlungen und Konstruktionen von ethnischen Zugehörigkeiten in diesen beiden settings. Dabei wird auch der Frage nachgegangen, welche Marker für die Konstruktion von Romani oder andere ethnischer Zugehörigkeiten verantwortlich zeichnen.
In Hinblick auf die Theorie lehnt sich die Arbeit an die Thesen von Barth (1969), Jenkins (1994), Hall (1997) und Brubaker (2007) an. Als Erhebungsmethode wurden biographisch-narrative Interviews gewählt, die ich mit sechs Personen in Graz und acht Personen in Wien zwischen 2012 und 2013 geführt habe. Zur Auswertung wurde das Verfahren der qualitativen Inhaltsanalyse (Mayring 2002) herangezogen. Die Kategorienbildung erfolgte induktiv aus dem Material heraus. Es ergaben sich folgende drei Hauptkategorien: Ethnizität als Ordnungskategorie in Interaktionen, Inhalte von ethnischen Selbstzuschreibungen, Ethnisierende Marker.
Das erste Kapitel zu Ethnizität als Ordnungskategorie in Interaktionen zeigt auf, dass in sozialen Beziehungen eine Romani Zugehörigkeit nicht immer relevant ist. Im Wiener Kontext kann festgehalten werden, dass die Zuschreibung “fremd” bzw. “AusländerIn” eine zentrale Bedeutung einnimmt, oder auch andere nationalstaatliche Kategorien wie “Serbisch”. In einem serbischen Kontext, weist die Zugehörigkeit zur Romani Community hingegen Relevanz auf.
Die Ergebnisse im anderen Kontext zeigen auf, dass eine Romani Positionierung auf soziale Beziehungen sowohl in der Slowakei als auch in Graz Einfluss nehmen kann; in Graz insbesondere dann, wenn die Personen Tätigkeiten im öffentlichen Raum ausüben, welche als „Romani typisch“ von den PassantInnen wahrgenommen werden, wie aus Berichten von Beschimpfungen hervorgeht. Bei der Ausübung eines regulären Jobs werden sie hingegen als RomNija „unsichtbar”.
Das zweite Kapitel befasst sich mit den Inhalten von ethnischen Selbstzuschreibungen. Auffallend dabei ist, dass die InterviewpartnerInnen in beiden Kontexten auf Stereotype, die häufig mit RomNija in Verbindung gebracht werden, hinwiesen.
Zugleich wurde Romanes als wichtige Eigenschaft einer Romani Zugehörigkeit genannt.
Das dritte und letzte Kapitel beschäftigt sich mit ethnisierenden Markern, die Ethnisierungsprozesse auslösen können. Dabei wurde sowohl von den Grazer als auch von den Wiener InterviewpartnerInnen auf die Hautfarbe bzw. das „Aussehen“ verwiesen. In den ländlichen Regionen Serbiens und der Slowakei führt eine „dunklere“ Hautfarbe zu einer Romani Ethnisierung, in Wien hingegen zur Kategorisierung als „fremd“.
In Anlehnung an die theoretischen Konzepte von Okamura (1981), Hall (1997) und Brubaker (2007) kann festgehalten werden, dass ethnische Zugehörigkeiten als dynamisch und sich ständig verändernd beschrieben werden können. So führen unterschiedliche Situation zu einer Fremd- bzw. Selbstethnisierung. Personen, die für sich eine Romani Zugehörigkeit in Anspruch nehmen, verorten sich zugleich auch in weiteren nationalstaatlichen und ethnischen Kategorien.