Abstract (deu)
Die vorliegende Arbeit soll einen Überblick über den Stand der Forschung im neurolinguistischen Paradigma der Dolmetschwissenschaft liefern. Dieses Paradigma baut auf Konzepten der kognitiven Psychologie auf und beschäftigt sich mit der Analyse der neuronalen Aktivität während des Dolmetschprozesses. Unter dem Gesichtspunkt der Interdisziplinarität werden die unterschiedlichen Forschungs- und Wissensgebiete von NeurologInnen und DolmetschwissenschaftlerInnen analysiert und zusammengeführt. Nach einem Überblick über die drei Teildisziplinen des in dieser Arbeit behandelten Forschungsgebietes der 'Neuro-Dolmetschwissenschaft' (Dolmetschwissenschaft, Medizin und Neurolinguistik) werden die neurologischen Untersuchungsmethoden ausführlich präsentiert. Anschließend folgt eine detaillierte Beschreibung der bis heute durchgeführten neurologischen Studien an DolmetscherInnen und über das Dolmetschen. Den Abschluss dieser Arbeit bildet eine Diskussion der Ergebnisse der beschriebenen Studien. Aus der Analyse der Ergebnisse geht hervor, dass Sprache bei zwei- und mehrsprachigen Personen (und somit auch bei DolmetscherInnen) anders organisiert ist als bei einsprachigen Menschen. Der Fokus der sprachlichen Fähigkeiten scheint in der linken Hemisphäre zu liegen, jedoch ist die rechte Gehirnhälfte deutlich in den Dolmetschprozess involviert. Beim Dolmetschen ist die größte Aktivität im Stirn- und Schläfenlappen zu verzeichnen. Innerhalb des Stirnlappens scheint der VLPFC (ventrolateral prefrontal cortex) eine besondere Rolle zu spielen. Auch das Cerebellum und subkortikale Strukturen sind am Dolmetschprozess beteiligt. Studien, die einen Vergleich zwischen der Tätigkeit des Dolmetschens und anderen komplexen kognitiven Prozessen anstrebten, weisen auf die Einzigartigkeit des Dolmetschens und seine offensichtlichen Unterschiede zu anderen Tätigkeiten hin. Da bildgebende Verfahren einem ständigen Wandel unterliegen, sind die Möglichkeiten der Neurolinguistik und des neurolinguistischen Paradigmas der Dolmetschwissenschaft keineswegs erschöpft.