Abstract (deu)
In Österreichs Supermärkten werden täglich erhebliche Mengen an Lebensmitteln entsorgt, die aus Gründen der Überproduktion, Überlagerung oder wegen anderweitigen gerinfügigen Mängeln nicht verkauft werden können. Viele dieser Lebensmittel stehen kurz vor dem Ablaufdatum oder haben dieses gerade überschritten, sind noch genießbar und landen dennoch im Abfall. Die kontinuierliche Ausdehnung und Ausdifferenzierung des Produktsortiments kann als konsumgesellschaftiche Entwicklung dafür mitverantwortlich gemacht werden, ebenso wie der von AnbieterInnen und KundInnen gleichermaßen konstruierte Anspruch auf ein stets lücken- und makelloses, ästhetisch vollkommenes und individuellen Bedürfnissen entsprechendes Warenangebot. Die Konsumgesellschaft zeigt sich in diesem Punkt als Erlebnisgesellschaft, deren Erlebnisanspruch sich, wie Gerhard Schulze beschreibt, zusehends auf Lebensmittel überträgt.
Supermärkte sind konsumgesellschaftliche Akteure am Massenmarkt und Schauplätze modernen Massenkonsums. Als solche werden sie zur Angriffsfläche für KonsumkritikerInnen, die Großkonzernen vorwerfen, an ausbeuterischen Prozessen mit sozialen und ökologischen Negativfolgen beteiligt zu sein. Sie begreifen Konsum als soziales Handeln, das sich auf andere bezieht und im Falle des Massenkonsums – also des Einkaufs im Supermarkt – die kapitalistische Marktwirtschaft und ihre Folgewirkungen unterstützt. Als Reaktion darauf und in Anbetracht des Wissens über den Umfang der noch essbaren Lebensmittel im Supermarktabfall wenden sie sich als TrägerInnen konsumkritischer Praktiken wie „Dumpster Diving“, „Containern“ oder „GeObben“ gegen das Konsumsystem: Sie holen Nahrungsmittel aus den Mülltonnen der Märkte und essen das, was weggeworfen wird. Die Idee, durch „Mülltonnentauchen“ aus dem System des Massenkonsums auszusteigen, findet ihren philosophischen Halt im Gedankengut des „Freeganismus“. Sein Ideal des „Living beyond Capitalism“ drückt sich in der Absicht aus, durch eine „weitgehende Verweigerung der Teilnahme an einer kapitalistischen Volkswirtschaft [den negativen Einfluss des Einzelnen] auf die Umwelt, die Tierwelt und das menschliche Leben zu verringern“. (www.freegan.at)
Im Rahmen dieser Arbeit werden nach einleitenden Abschnitten zum soziologischen Konsumbegriff und zur Konsumgesellschaft die Beweggründe von fünf Wiener Dumpster DiverInnen dargestellt, die in qualitativen Interviews befragt wurden. Darüber hinaus wird das Konzept des „Sozialen Wertstofftransfers“ als institutionalisierte und kooperative Antwort auf das Lebensmittelabfallproblem erläutert.