Abstract (deu)
Hintergrund:
In der politischen Steuerung von Wissenschaft nehmen “Ethik” und “Partizipation” einen zentralen Platz ein. In der politischen Praxis hingegen ist das Verhältnis dieser beiden Ansätze zueinander weitgehend ungeklärt. Während partizipative Ansätze eine weiter reichende Einbeziehung von Akteuren und Interessen versuchen (insbesondere von “Laien”), beruht “Ethik” weitgehend auf Expertenwissen. Die epistemische und politische Autorität von Ethik wird mit dem Unterschied zwischen Ethik, als vernünftige und systematische Reflexion von moralischen Annahmen, und “Moral” als unhinterfragte Zuordnung von “gut” und “schlecht”, gerechtfertigt.
Ziele:
Das Ziel dieser Dissertation ist zu analysieren wie “ethische Laien”, d.h. Mitglieder einer weiteren Öffentlichkeit und GenomforscherInnen mit ethischen Themen und Fragen in einen interaktiven Setting umgehen—d.h. ohne die Involvierung von EthikexpertInnen. Dabei sind drei Dimensionen zentral: Welchen ethischen Themen und Fragestellungen haben die ethischen Laien als besonders relevant erachtet? Was sind die diskursiven und mikropolitischen Muster in einer solchen Ethikdebatte? Welche Erfahrungen wurden in den Verhandlungen um ethische Themen gemacht und welchen Sinn generieren die DiskussionsteilnehmerInnen für sich daraus?
Theoretische Herangehensweise:
Die theoretische Perspektive ist im Feld der soziologischen Wissenschaftsforschung angesiedelt, insbesondere in der Theoretisierung einer veränderten gesellschaftlichen Wissensproduktion und eines sich veränderten Verhältnisses von Wissenschaft und Gesellschaft (“mode 2 science”), des Weiteren kritische Public Understanding of Science- und Partizipations-Ansätze sowie sozialwissenschaftlicher Forschung, die sich kritisch mit der institutionellen Dimension von Ethik auseinandergesetzt hat. Auf dieser Grundlage führe ich das Konzept von “lay ethical knowledge” ein, welches von einer hierarchischen Unterscheidung von “Ethik” und “Moral” Abstand nimmt und den Kontext, in welchem Ethik verhandelt und somit Bedeutung erzeugt wird, betont.
Methoden:
Die Dissertation beruht auf einem Forschungsprojekt—“Reden wir über GOLD!—in welchem ein Partizipationssetting geschaffen wurde, wo sich Laien und ForscherInnen regelmäßig über einen längeren Zeitraum hinweg trafen – den sog. “Runden Tischen”. Das Projekt versucht Partizipationsansätze mit der Diskussion von ethischen Fragestellungen zu verbinden. Die Diskussion am Runden Tisch wurde mit qualitativen sozialwissenschaftlichen Methoden (Grounded Theory) analysiert.
Resultate:
Die qualitative Untersuchung hat gezeigt, dass sowohl die teilnehmenden BürgerInnen als auch die ForscherInnen einen reflektierten und kontextbewussten Umgang mit ethischen Themen und Fragestellungen gezeigt haben. Diese sind dergestalt, dass sie die authorative Art der Expertenethik durchaus in Frage stellen. Die TeilnehmerInnen des Runden Tisch thematisierten andere Themenfelder als institutionalisierte Standardethik. Trotzdem, ihre Einschätzungen von Ethik sind relativ ambivalent und spiegeln somit den weiteren gesellschaftlichen Umgang mit Ethik. Des weiteren weisen die Ergebnisse darauf hin, dass gängige gesellschaftliche Ethikpraktiken, welche versuchen vergangene Wertentscheidung zu kompensieren und eine Teilung zwischen Risiko- und Moralaspekten einführen zu kurz kommen, wenn es darum geht, auf weiter reichende öffentliche Bedenken hinsichtlich Innovationsprozessen zu reagieren.
Schlussfolgerungen:
Das ethische Wissen von Laien eignet sich dazu, den Umgang von ExpertInnen mit Ethik in Frage zu stellen. Laienethik ist eine kritische Ressource um als selbstverständlich angenommene Rahmungen in der moralischen Steuerung von Forschung zu hinterfragen. Die TeilnehmerInnen gingen auf reflektierte Weise mit ethischen Fragestellungen um, was die Hierarchie zwischen “Ethik” und “Moral” in Frage stellt, um als Kriterium für die Einbeziehung in eine ethische Debatte zu dienen.
Der Umgang der TeilnehmerInnen mit ethischen Fragen legt nahe, dass eine anderer Umgang mit Ethik von Nöten wäre um den veränderten Bedingungen von Wissenschaft und Gesellschaft gerecht zu werden. Während Standardethik immer versucht, für vergangene Wertentscheidungen zu kompensieren, schlage ich eine “Ethik der Innovation” vor, welche im Innovationsprozess viel früher ansetzt und selbstverständliche Annahmen zur Disposition stellt.