Abstract (deu)
Die nicht-kodierende Xist RNA ist entscheidend für die Initiation der chromosomweiten
Genrepression während der X-Inaktivierung in weiblichen Säugetierzellen. Die
Stilllegung X-spezifischer Gene ist abhängig von einer sich wiederholenden Sequenz
am 5´Ende von Xist. Untersuchungen an murinen embryonalen Stammzellen zeigten,
dass dieses sogenannte „repeat A“-Element essenziell für die Initiation der
Genrepression durch Xist ist. Es wurde gezeigt, dass die Expression einer Xist RNA mit
fehlendem repeat A zwar alle charakteristischen Chromatinmodifikationen herbeiführen
kann, Gene an diesem Chromosom jedoch aktiv bleiben.
In diesem Projekt wird untersucht, ob eine solche Chromosomen-Konfiguration mit der
embryonalen Entwicklung vereinbar ist. Dafür wurde ein transgenes Mausmodell
etabliert, bei dem die Expression einer Xist RNA mit fehlendem repeat A am 3´Ende
des Col1a1 Locus am Chromosom 11 mittels Doxyzyklin induzierbar ist. Es wird
gezeigt, dass die Expression der mutierten Xist RNA zu Histon H3 - Lysin 27-
trimethylierung (H3K27m3) führt, jedoch keine erkennbare Histon H4 - Deacetylierung
beobachtet werden kann.
Die Expression der transgenen Xist RNA ohne repeat A in vivo in der frühen
embryonalen Entwicklung zeigt einen starken, unerwarteten Phänotyp, der zu
embryonaler Letalität vor Tag 9.5 der Embryonalentwicklung führt (E9.5).
Interessanterweise wurde dieser Phänotyp ebenso bei heterozygoter Expression des
Transgens beobachtet und ist unabhängig von der parentalen Herkunft der Xist RNA.
Expression in einem späteren Stadium der Entwicklung (E11.5) zeigt keinen
offensichtlichen Phänotyp was darauf hinweisen könnte, dass Genexpressionsmuster in
der frühen embryonalen Entwicklung durch epigenetische Modifikationen gestört
werden.
Um den molekularen Mechanismus des beobachteten Phänotyps zu untersuchen,
wurden embryonale Stammzelllinien aus Blastocysten etabliert, welche homozygot
induzierbare Xist RNA ohne repeat A am Chromosom 11 tragen. Mit Hilfe dieses
in vitro Systems wurde eine genomweite Genexpressionsanalyse mittels Affymetrix
Maus Array durchgeführt. Drei unabhängig voneinander isolierte embryonale
Stammzelllinien wurden mit Retinolsäure für 5 Tage entweder mit oder ohne
Doxyzyklin differenziert und die Unterschiede in der Genexpression zwischen
induzierten und nicht induzierten Zelllinien verglichen. Die Ergebnisse zeigen nur
minimale Unterschiede in der Genexpression. Ein höherer Prozentsatz an
herunterregulierten Genen konnte am Chromosom 11 beobachtet werden was darauf
hinweist, dass Expression der transgenen Xist RNA ohne repeat A eine verbleibende
Funktion in der Gen-Stilllegung im autosomalen Kontext aufweist. Die am stärksten
herunterregulierten Gene sind keine Zielgene für Polycomb-Komplexe und scheinen in
der Differenzierung herunterreguliert zu werden.
Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse, dass die Expression einer transgenen Xist
RNA ohne repeat A vom Chromosom 11 zwar H3K27m3 etabliert, jedoch keine
signifikante H4 Deacetylierung beobachtet werden kann. Dreiviertel der Gene, die am
Chromosom 11 lokalisiert sind, werden in geringem Ausmaß herunterreguliert, was
offensichtlich mit der embryonalen Entwicklung der Maus nicht vereinbar ist. Es ist
anzunehmen, dass die betroffenen Gene notwendig sind für spezifische
Differenzierungswege in der frühen embryonalen Entwicklung und bereits geringe
Änderungen in der Expression zu embryonaler Letalität führen