Abstract (deu)
Die neutralen s-Stämme stellen eine gut bezeugte Kategorie innerhalb der indogermanischen
Sprachen dar. Durch die vergleichende Methode lässt sich ein grundsprachliches Paradigma
rekonstruieren, das die direkte Grundlage der einzelsprachlichen Fortsetzer im altindischen,
altiranischen, griechischen, italischen, anatolischen, keltischen und slawischen Bereich (in
diesen Sprachzweigen wurde die Kategorie nämlich fortgeführt) bildet.
Wie SCHINDLER in seinem 1975 erschienenen Aufsatz „Zum Ablaut der neutralen s-Stämme des
Indogermanischen“ jedoch aufzeigte, stellt dieses Standardparadigma nicht den
ursprünglichen Zustand dar. Er wies die neutralen s-Stämme aufgrund einer Reihe von
unterschiedlichen Hinweisen der proterokinetischen Akzent- und Ablautklasse zu, stellte
jedoch wegen einzelsprachlicher dehnstufiger Fortsetzer zusätzlich die Möglichkeit in den
Raum, dass es auch akrostatische s-Stämme gegeben haben könnte.
Ziel meiner Diplomarbeit ist es, aufbauend auf SCHINDLERs Aufsatz und den seither
erschienenen Arbeiten zu diesem Thema den Wurzelablaut der neutralen s-Stämme genaueren
Untersuchungen zu unterziehen, um einerseits weitere Hinweise zur Bekräftigung des
Ansatzes eines ursprünglich proterokinetischen Paradigmas zu sammeln, andererseits um zu
überprüfen, ob das Postulat von akrostatischen s-Stämmen gerechtfertigt ist.
Auf dem Weg dorthin ist es nötig, die Entwicklung der s-Stämme in den zwölf
indogermanischen Sprachzweigen einzeln zu untersuchen: Sind sie als Kategorie fortgesetzt?
Wenn nicht, mit welcher Stammklasse sind sie zusammengefallen? Welche Neutra sind ererbt,
welche sind Neubildungen? Welchen Wurzelablaut zeigen die ererbten Bildungen? Lässt sich
von der Vollstufe abweichender Wurzelablaut durch Analogie erklären oder reflektiert er
grundsprachliche Verhältnisse?
Im Laufe der Untersuchung wird sich zeigen, dass die Dehnstufe, die als Hinweis auf
akrostatische Flexion galt, möglicherweise vielmehr eine wurzelinhärente Eigenschaft
darstellt, die man als NARTEN-Charakter bezeichnen kann und in Zukunft noch näherer
Untersuchung bedürfen wird.