Abstract (deu)
Diese Arbeit beschäftigt sich im ersten, theoretischen Teil mit dem Bauhandwerk im Mittelalter. Im zweiten setzt sie sich mit der Frage auseinander, inwiefern der Bau der Kirchen- und Klosteranlage des ehemaligen Zisterzienserstiftes im steirischen Neuberg an der Mürz der typisch mittelalterlichen Baupraxis entspricht. Neuberg bietet sich zur Thematisierung des mittelalterlichen Bauhandwerks deshalb an, weil sich die gesamte Anlage ohne drastische barockisierende Maßnahmen in ihrer Ursprünglichkeit und mittelalterlichen Bausubstanz sehr gut erhalten hat und das Kirchengebäude über den einzigen in dieser Größenordnung erhaltenen spätgotischen Dachstuhl in Österreich verfügt.
Der Baubetrieb im Mittelalter umfasste einen komplexen und vielschichtigen Aufgabenbereich und erfüllte soziale, wirtschaftliche und repräsentative Aufgaben. Die Arbeiten vom Baubeginn bis zur Fertigstellung des Bauwerkes waren vielfältig und reichten von der Planung, Vermessungs- und Ausschachtungsarbeiten, Materialbeschaffung und -transport bis hin zur Verarbeitung und Versetzung der Rohstoffe.
Die am Bau beteiligten Personen (Auftraggeber, Werkmeister und Arbeiter) nahmen durch verschiedene Aufgaben und in verschiedenen Positionen Einfluss auf Formfindung und Gestalt(ung) des Bauwerks. Der grundlegend geänderte Baubetrieb in der Gotik brachte nicht nur eine Regelung und Umstrukturierung des Bauwesens im Allgemeinen mit sich, sondern formte auch bestimmte Berufsgruppen, deren Aufgabengebiet und Ausbildung klarer aus.
Da es sich bei Neuberg um ein ehemaliges Zisterzienserkloster und eine Gründung der Habsburger handelt, der 1327 von Herzog Otto dem Fröhlichen gegründete Bau entstand in mehreren Etappen und wurde erst im 15. Jh. von Kaiser Friedrich III. vollendet, ist es unerlässlich, die Baugewohnheiten der Zisterzienser ebenso zu thematisieren wie die beiden Stifter und deren unterschiedliche Einflussnahme auf Bauform und Gestaltung.
Neben dem Auftraggeber waren die einfachen Arbeiter, über die sich keine schriftlichen und bildlichen Quellen erhalten haben, die wichtigsten „formgebenden“ Personen. Die Untersuchung der am Bau erhaltenen Spuren (z. B. Steinmetzzeichen und Dachstuhl) soll mögliche Indizien für Herkunft und Arbeitsweise der am Bau beteiligten Personen liefern.