Kopieren und Einfügen fremder Texte, in anderen Worten, das Zitieren, spielt eine wichtige Rolle für die Digitale Literatur. Viele Werke der Digitalen Literatur nehmen Prätexte aus dem literarischen Kanon als Vorlage für oft bis zur Unkenntlichkeit manipulierte oder sogar nur klanglich ähnliche Textschöpfungen. Das Ziel dieser Arbeit ist eine Annäherung an die Digitale Literatur durch die systematische Beobachtung ihres Umgangs mit dem fremden Text.
Wie sich in den vielen Formen des Zitierens und im Zusammenhang damit im Umgang mit der Tradition Eigenschaften der jeweiligen Kultur oder literarischen Bewegung ausdrücken bzw. wie anhand von zitathaften Beziehungen der Wechsel der literarischen Epochen nachverfolgt werden kann, ist Thema des Buchs Das Zitat in Literatur und Kunst von Dubravka Oraić Tolić. In dieser Arbeit wird die Frage nach dem Platz der Digitalen Literatur in Tolić' kategorialem „zitathaftem Viereck“ und unter den zitathaften Bewegungen/Epochen der Literatur gestellt. Gehört die Digitale Literatur mit ihrer Zitathaftigkeit zur Postmoderne oder ist sie eher der letzte verspätete Hauch der Avantgarde? Und anschließend: Was ist die spezifische Denk- und Ausdrucksweise der Digitalen Literatur, die an ihrer Zitathaftigkeit ablesbar ist.