Abstract (deu)
Seit der Namensgebung der hydrophilen Interaktionschromatographie (HILIC) in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts ist ein steiler Anstieg in veröffentlichten Publikationen pro Jahr als starkes Indiz für die hohe Nachfrage und Bedeutung dieser doch noch relativ neuen Chromatographie Methode zu verzeichnen. Neue Methoden zur Analyse polarer Verbindungen sind hierbei ebenso stark vertreten wie die Entwicklung neuer Chromatographiematerialien und Beiträge zur Erläuterung des bis heute noch nicht vollständig aufgeklärten HILIC Mechanismus. Die Entwicklung und Charakterisierung eines neuen polar modifizierten Säulenmaterials steht im Fokus des ersten Teils der Thesenschrift. Hierbei wurde Aminopropyl-Kieselgel mittels eines innovativen Modifikationsverfahrens, unter Einbezug der sogenannten Maillard Reaktion, zu einem neuen hydrophilen Adsorbens umgesetzt. Die somit erhaltenen „Chocolate HILIC“ Säulen zeichnen sich durch ihre bräunliche Färbung aus. Dabei werden primäre Aminofunktionen, welche sich an der Oberfläche des Startmaterials befinden, mit reduzierenden Zuckern (Glucose, Lactose, Maltose und Cellobiose) und mit Hilfe der nicht-enzymatischen Bräunungsreaktion umgesetzt. Im Zuge des Evaluierungsprozess zeichnete sich Cellobiose als vielversprechendste und effizienteste Liganden-Vorstufe aus. Als Ergebnis der vorgelegten Reaktionskaskade wurde das Amin-Grundgerüst mit Hydroxylgruppen und wahrscheinlich auch mit stickstoffhaltigen Heterozyklen überzogen. Die Überprüfung mehrerer Test-Sets in Kombination mit unterschiedlichen mobilen Phasen zeigte, dass sowohl adsorptive als auch schwache ionische Wechselwirkungen neben den prädominierenden Verteilungsvorgängen gegenwärtig sind. Im Vergleich zu reinen Diol modifizierten HILIC Säulen ermöglichen die zusätzlichen Interaktionspunkte zwischen den Test-Analyten und dem Amin-Hintergrund des Basismaterials eine deutliche Manipulation der Retentionsselektivitäten. Des Weiteren wurde die Stabilität der „Chocolate HLIC“ Säulen bezüglich ihrer chromatographischen Reproduzierbarkeit mittels Gradientenelution evaluiert. 50 aufeinanderfolgende Injektionen eines Test Gemisches, bestehend aus sechs Vitaminen, wurden mit einem 17 minütigen HILIC Gradienten untersucht. Die Säule zeichnete sich hierbei durch eine schnelle Re-Äquilibrierung hinsichtlich der Startbedingungen aus, was ein Indiz für die schnelle Wiederanpassung der stillstehenden adsorbierten Wasserschicht sein kann. Desweitern ermöglicht der „Mixed Mode“ Charakter des Retentionsmechanismus auch die Untersuchung lipophiler Verbindungen unter Einbezug mobiler Phasen mit einem sehr hohen Wasseranteil. In Rahmen dieser Studie wurde der höchste Lipophilie Grad auf „Chocolate HILIC“ Phasen verzeichnet, welche mit Glucose anstelle von Cellobiose als Liganden-Vorstufe synthetisiert wurden. Den zweiten Teil und zugleich den Schwerpunkt dieser Dissertation stellt die nähere Betrachtung all jener Kräfte dar, welche die Interaktionen zwischen den Analyten und dem Adsorbens und somit die Retention in HILIC Systemen gewährleisten. Das Konzept der „linear solvation energy relationships“ (LSER) wurde hierbei angewandt um mit Hilfe von kalkulierten Systemkonstanten Retentions-Korrelationen zu erläutern. Obgleich dies eine bekannte und verbreitete Vorgehensweise im Zuge der Aufklärung von Retentionsmechanismen innerhalb von Umkehrphasensystemen ist, gibt es kaum Veröffentlichungen dieser Methode in Kombination mit HILIC Systemen. Das untersuchte Säulenset bestand dabei aus 23 polaren Adsorbentien und wies unterschiedliche Oberflächenmodifikationen (neutral, basisch, sauer und zwitterionisch) auf. Diese wurden entweder käuflich erworben oder innerhalb der Arbeitsgruppe synthetisiert. Nach dem erfassen von Retentionsdaten von sich hinsichtlich der Struktur unterscheidender Verbindungen, wurden diese Werte mitsamt den dazugehörigen strukturspezifischen Abraham Parametern (A, B, S und V), sowie den kürzlich eingeführten D Deskriptoren (D+ und D-), zum Aufstellen des LSER basierten Retentionsmodells verwendet. Die HILIC Systeme wurden mittels mobilen Phasen, welche einen hohen Gehalt an Acetonitril aufwiesen, und unter Verwendung zweier unterschiedlicher Pufferzusammensetzungen (pH 3 und pH 5) evaluiert. Hierbei konnte gezeigt werden, dass der Ansatz der Solvatisierungs Parameter nicht nur zu einer näheren Erklärung des HILIC Mechanismus beiträgt, sondern ebenfalls als hilfreiches Werkzeug im Verlauf der Entwicklung von Säulenmaterialien eingesetzt werden kann. Durch den Ersatz von Ammoniumformiat als Puffergegenion mit Ammoniumacetat, und den zusätzlichen Anstieg des pH Wertes, wurde eine signifikante Erhöhung der Wasserstoffbrücken Basizität der HILIC Systeme verzeichnet. Des Weiteren wurden auf Säulen, welche sich hinsichtlich des Selektivitätsprofiles im Laufe der Datenakquirierung glichen (z.B. Shiseido PC HILIC und Nucleodur HILIC), unterschiedliche Kräfte bestimmt, die zum generellen Rückhalt von Analyten auf den jeweiligen Säulen beitrugen. Schlussfolgernd lässt sich sagen, dass die Selektivität in HILIC Systemen durch das Zusammenspiel und somit aus der Summe des additiven und multiplikativen Charakters der Wasserstoffbrückenbindungen, ionischen Wechselwirkungen und Verteilungsvorgängen erreicht wird.