Abstract (deu)
Die Veröffentlichung der vierten Auflage des Diagnostischen und Statistischen Handbuchs Psychischer Störungen (1994) hat die Entstehung des gegenwärtigen Traumaverständnisses entscheidend beeinflusst und geformt. Mit dem Versuch, die umfassende Symptomatologie von traumatischen Belastungsstörungen zu klassifizieren, ist es Experten ebenso gelungen, den Traumabegriff insofern auszuweiten, als dass er auch jene Menschen mit einschließt, welche nicht direkt von dem traumatischen Ereignis betroffen sind. In diesem Sinne hat der sogenannte DSM, wenn auch bis dato nur indirekt, zu dem Verständnis beigetragen, dass Trauma auf eine grotesk anmutende Weise ‚ansteckend‘ sein kann. Nicht zuletzt die rasanten Entwicklungen auf dem Gebiet der Epigenetik, mit ihrer Untersuchung der Weitergabe von Trauma auf genetischer Ebene, haben zur Folge, dass das Interesse an transgenerationalem Trauma immer mehr ins Licht der Öffentlichkeit rückt.
Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich die vorliegende Arbeit mit dem Phänomen der Traumavererbung und deren Verarbeitung im Genre des zeitgenössischen Südafrika Romans. Auch heute noch hält der lange Schatten des grausamen Apartheid Regimes die südafrikanische Bevölkerung fest im Griff. Apartheid steht für das Trauma einer ganzen Nation, und dessen Verarbeitungsprozesse haben sich ihren Weg bis tief in die folgenden Generationen gebahnt. Während manche Forscher davon überzeugt sind, dass Trauma niemals wirklich begriffen oder gar ausgedrückt werden kann, werden andere Stimmen laut, die sich klar dafür aussprechen, dass nur eine langsame und schrittweise Konfrontation, nämlich durch das ‚Finden einer Stimme‘ für das Geschehene, Erlösung bringen kann. Gleichermaßen wie Schwab oder Van der Merwe und Gobodo-Madikizela wird die Hypothese vertreten, dass Literatur eine der wichtigsten empirischen Ressourcen zur ganzheitlichen Untersuchung von Trauma darstellt. In diesem Sinne widmet sich diese Arbeit einer intensiven theoretischen Auseinandersetzung mit Trauma und seiner Vererbung, um anschließend die daraus gewonnenen zentralen theoretischen Konzepte anhand von zwei südafrikanischen Romanen darzustellen und zu vertiefen. Die bemerkenswerten Arbeiten von Joanne Fedler, The Dreamcloth und Pamphilia Hlapa, A Daughter’s Legacy, ermöglichen eine dienliche Zusammenführung von Rationalität und Fiktionalität, um einen noch tieferen und nachhaltigeren Einblick in die morbiden Dynamiken von Traumavererbung bieten zu können.