Abstract (deu)
Die gegenständliche Dissertation untersucht die Entwicklung der Sammlungssystematiken und Aufstellungen (Hängungen) der kaiserlichen Gemäldesammlung in Wien in der zweiten Hälfte des 18. bis zum frühen 19. Jahrhundert; in einer Zeitspanne also, als sich die höfische Galerie zum Museum im modernen Sinn wandelte. Aus der Perspektive der Präsentation der kaiserlichen Galerie, die diesen grundlegenden Statuswechsel sichtbar werden ließ, wird den Fragen nachgegangen, welche Voraussetzungen und kunsttheoretischen Grundlagen für die methodischen Neukonzeptionen der Hängungen ausschlaggebend waren und welche Rolle die Ordnungen und Veränderungen in der Systematik bei der Formierung zum Museum spielten.
Dabei zeigt sich: Der Prozess zur Musealisierung verlief nicht linear und seine Etappen können durch die heterogene Quellenlage nicht gleichgewichtet dargestellt werden. Die durch die Galeriekataloge von 1783 und 1796 dokumentierten und rekonstruierbaren Hängungen bilden jedoch gleichsam Konstanten, an denen sich die Entwicklung mit ihren Sprüngen und Kontinuitäten festmachen lässt.
Die Vorstellung, dass den barocken Hängungen ab der Mitte des 18. Jahrhunderts ein dezidiert kunstwissenschaftlicher Subtext zugrunde lag, ist in der kunsthistorischen Forschung der letzten Jahrzehnte zum Common Sense geworden. Noch weitergehend wird in der Dissertation ausgeführt, dass die Hängungen darauf ausgerichtet waren, durch visuell hergestellte Zusammenhänge zwischen den Gemälden die ihnen zugrunde liegenden kunstwissenschaftlichen Konzepte anschaulich und verständlich zu machen.
Eine Kunstgeschichte neuzeitlicher Malerei im strengen Sinn war allerdings noch nicht umfassend ausgearbeitet. Einzig Johann Joachim Winckelmanns Geschichte der Kunst des Alterthums, ein Werk der klassischen Antike, lieferte einen Beitrag zur Systematisierung der Kunst im Sinne einer Geschichte der Kunst. Beleuchtet werden in der Dissertation daher auch wesentliche Systematisierungs- und Forschungsmethoden aus anderen disziplinären Rahmen, die die Neukonzeptionen der Gemäldehängungen in der kaiserlichen Galerie tangieren konnten. Dies betrifft Methoden und Erkenntnisse, die aus Graphiksammlungen gewonnen wurden ebenso wie jene aus Inventarisierungs- und Katalogisierungskampagnen sowie aus historischen und archäologischen Forschungszusammenhängen.
Welche Kunsttheorien der Zeit tatsächlich realisiert werden konnten, erschließt sich erst, wenn die Hängungen in der anschaulichen Anordnung der Gemälde betrachtet werden können. Daher wurden für die Dissertation die 1783 und 1796 dokumentierten historischen Galerieräume erstmals digital rekonstruiert, um mit dieser Visualisierung der Hängungen die zugrunde liegende Forschung sichtbar, nachvollziehbar und diskutierbar zu machen.
Letztendlich kann die kunstwissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Gemälden der kaiserlichen Galerie im Oberen Belvedere, wie sie in der Ordnung der Hängungen zum Ausdruck gebracht wird, nicht nur mit der Formierung zum Museum in Verbindung gebracht, sondern auch in Parallele zu jenen Entwicklungen gesehen werden, die dann im 19. Jahrhundert zur Institutionalisierung der Kunstgeschichte als wissenschaftlicher Disziplin geführt haben.