Abstract (deu)
„Lesefehlermutationen“ des AVPR2-Gens, welches für den Vasopressin V2 Rezeptor kodiert, sind die Hauptursache für den angeborenen X-chromosomalen Diabetes Insipidus, der sich durch Vasopressinresistenz der Nieren auszeichnet. Die Konsequenz ist eingeschränkte Harnkonzentrierung und daher eine gestörte Wasserhomöostase. In den meisten Fällen wird die Rezeptorstruktur durch die Mutation destabilisiert. Die zelluläre Qualitätskontrolle erkennt diese Rezeptormutanten als fehlgefaltet und retiniert sie intrazellulär. Diese Retention wird durch Proteine aus dem Spektrum der Chaperon/HSP/Lektinmoleküle vermittelt. Durch den Einsatz synthetischer V2R-Liganden kann die Oberflächenexpression der Rezeptormutanten erhöht werden.
In meiner Arbeit untersuchte ich V2R-Konstrukte mit “Lesefehlermutationen”, die zum Austausch einzelner Aminosäuren führten und durch Transfektion in kultivierbaren Zelllinien zur Expression gebracht wurden. Der Lesefehler betraf in allen untersuchten Konstrukten die kodierende Sequenz der Transmembrandomäne obzwar an unterschiedlichen Segmenten. Jede dieser Mutationen führte zur primären, intrazellulären Lokalisation des Rezeptors. Mit Hilfe hochaffiner, membranpermeierender V2R-Liganden (Tolvaptan und SR121463) wurden Mutanten ausgewählt, die durch Behandlung mit den Liganden an die Zelloberfläche transferierten. Die Veränderung in der Oberflächendichte schätzte ich nach Antikörperfärbung des Rezeptors mittels FACS. Meine Daten zeigen, dass der Pharmakochaperoneffekt abhängig von der Position der Mutation war; von sieben Mutanten reagierten nur jene mit Lesefehlermutationen in Transmembranhelices 6 (T273R) bzw. 7 (S318I) auf die Behandlung mit Ligand. Die apparente Affinität der Liganden für die Rezeptorfaltungsintermediate (~0,3 – 3 µM) lag Größenordnungen unter jener für den Wildtyprezeptor (~0,5 nM).
Vermutlich kam ein Teil des Pharmakochaperoneffekts nach Inkubation mit Ligand durch Stabilisierung des Rezeptors zustande. Der Pharmakochaperoneffekt gestattete, dass die mutanten Rezeptoren an Menge zunahmen und reiften. Analyse GFP-fusionierter Rezeptorkonstrukte auf dem Westernblot zeigte ein im Vergleich zu den unbehandelten Kontrollen ein verändertes Bandenmuster und stärkere Banden. C-terminale Fusion an grün-fluoreszierendes Protein (GFP) führte ebenfalls zur Stabilisierung des Rezeptorpolypeptids (gegenüber Degradation). Wenn die Expression von Rezeptorkonstrukten mit und ohne GFP miteinander verglichen wurde, fand ich eine beträchtliche Überexpression des Fusionskonstrukts im Vergleich zum unfusionierten Rezeptor. Die Expressionszunahme war zumindest zwanzigfach. Der fusionierte Rezeptor war im Gegensatz zu unfusioniertem mit nativen Carboxyterminus geeignet, eine Wiederherstellung der Rezeptorfunktion nach Pharmakochaperonbehandlung zu demonstrieren.
Die Retention von fehlgefalteten Rezeptormutanten ist eine Funktion der zellulären Qualitätskontrolle. Ich untersuchte die Wirkung des Antibiotikums Geldanamycin, das an das Faltungschaperon HSP90 bindet und dessen ATP-abhängige Funktion hemmt. Meine Daten zeigen, dass die Behandlung mit dem Geldanamycinderivat 17-DMAG die Oberflächenexpression des V2R erhöhte. Der Effekt betraf die mutanten Rezeptoren ebenso wie den Wildtyprezeptor und war unabhängig von der Wirkung der Pharmakochaperone. Zusammen steigerten 17-DMAG und der Pharmakochaperonligand die Oberflächenexpression mehr als jedes für sich allein. Tatsächlich ließ sich nach Immunpräzipitation des Rezeptors eine Assoziation mit dem Geldanamycinsubstrat HSP90 nachweisen. Selbst unter den denaturierenden Bedingungen der SDS-Gelelektrophorese fand sich der Rezeptor mit HSP90 in einem supramolekularen Proteinkomplex wieder, und dies galt gleichermaßen für den wildtypischen und den mutanten Rezeptor. Die Rezeptor-HSP90 Aggregate traten lediglich akut nach Transfektion auf; aus stabil exprimierenden Zelllinien war mit dem Rezeptor HSP90 lediglich spurenweise und in nicht aggregierter Form zu immobilisieren. Ich untersuchte in Ansätzen den Grund für die der Transfektion folgende Aggregatbildung, die reproduzierbar mit einer exzessiven Überexpression des Rezeptorproteins einherging. Immunpräzipitation von HSP90 zeigte, dass sich nach Transfektion HSP90 mit HSP70 und HOP Komplexe bildeten. Die Assoziation mit HSP70 und HOP war im Vergleich zu den stabilen Linien und auch zu Kontrollzellen gesteigert. Meine Ergebnisse geben einen Hinweis darauf, dass HSP90 als Messstelle für die Zelloberflächenexpression des V2-Rezeptors fungiert und seine Bindungsavidität durch Zellstress, wie eben bei Überladung des ER, enthemmt wird.